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© Merle Zirk

Wie das Leben so spult ...

Merle Zirk in der momentum 2/2020

Merle Zirk ist mit ihrem Traumjob unterwegs in der Welt – plötzlich macht sich ihr Körper bemerkbar: fortgeschrittener Gebärmutterhalskrebs. Gebärmutter und Eierstöcke werden entfernt, ebenso 70 Lymphknoten. Nach der Operation ist nichts mehr wie vorher. Während der anschließenden Chemotherapie meldet sich der Körper wieder zu Wort, und Schritt für Schritt macht sich die damals 30-jährige Merle auf den Weg Richtung Gesundheit.

Zurückspulen. Anhalten. Nochmals abspielen. In meiner Kindheit habe ich das gefühlt tausend Mal mit den Kassetten in meinem Rekorder gemacht. Jetzt höre ich nur noch verschwommene Wortfetzen des Krankenhausarztes. In mir wiederholt sich diese Hiobsbotschaft immer und immer wieder: „Ich muss Ihnen leider sagen … Sie sind erkrankt … Es ist ernst.“

Aber von vorne: Mein Name ist Merle, ich bin mittlerweile fast 38 Jahre alt und gebürtige Fränkin. Mein Abitur habe ich nach ein paar Ehrenrunden dann doch hinter mich gebracht und mich auf die Reise meines Berufstraumes begeben: Schon mit zwölf Jahren wollte ich zum Fernsehen. So startete ich ein Volontariat zur Fernsehredakteurin beim heimischen Sender TV Touring. Nach zweieinhalb Jahren folgte mit dem Umzug nach München der Einstieg ins Redakteursleben und ins nationale Magazinfernsehen. Viele Stationen habe ich durchlaufen, tolle Drehs auf der ganzen Welt erlebt, und ich war mitten drin im schillernden Medienleben. Der Alltag stets geprägt von Latte-Macchiato-Pausen und schnellem Essen. Pasta, Pizza und Fertigsuppen standen jede Woche auf meinem Speiseplan. Essen war notwendiges Übel, das möglichst wenig Aufwand machen sollte. Am Wochenende Alkohol und Party. Mein Leben damals: toll, aufregend und erfüllend. Irgendwie. Und irgendwie auch nicht.

Eine tiefe Traurigkeit ist da. Sie keimt immer wieder auf. Bohrende Fragen bestimmen mein Lebensgefühl in ruhigen Momenten: Ist mein Leben das, was mich glücklich macht, mich motiviert und mir Sinn gibt? Sind meine Freunde da, weil ich ein wichtiger Mensch für sie bin oder weil ich immer gut drauf bin und spaßig im Umgang? Ist mein Job das Nonplusultra, oder gibt es da mehr? Meine Gedanken, meine Gefühle – ich wische sie weg. Übertünche sie mit Abenteuern. Erfolgreich. Über Jahre.

Und dann geht alles ganz schnell: Nacheinem dreijährigen Tête-à-Tête mit einem internationalen Konzern im österreichischen Salzburg beginne ich wieder in München. Spannende Aufgabe, da bin ich natürlich dabei. Zwei Monate später – es ist der 3. Dezember 2012, ein Montag. Ich habe bereits Wochen und Monate mit diffusen Schmerzen im Unterbauch und im Lendenbereich verbracht, habe mehrere Ärzte konsultiert und wurde minimalinvasiv an Eierstockzysten operiert. Immer alles „halb so wild“, lassen mich die Experten in Weiß wissen. Nun sitze ich auf dem gynäkologischen Stuhl des Oberarztes eines Münchener Krankenhauses, in das ich mit Krankenwagen und Sirene eingewiesen wurde. Ich höre den Arzt sagen: „Frau Zirk, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie an fortgeschrittenem Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) erkrankt sind. Es ist ernst, wir müssen rasch operieren.“ Man kann sich meine darauffolgende Zeit ungefähr so vorstellen: tagein, tagaus Krebsrecherche im Internet und in Büchern – Telefonate mit Ärzten und Krankenhäusern– eine zehnstündige Operation am offenen Bauch – erkennen, dass das Leben etwas anderes vorgesehen hat als leibliche Kinder – ein trauriges Weihnachten im Krankenhaus …

„Ich achte genau darauf, was ich mir zuführe: durch den Mund, die Gedanken, die ‚Außenwelt‘.“

Spüren, dass selbst ein von oben bis unten zugetackerter Bauch noch liebenswert ist – genau mit diesem Bauch streiten, ob man den Chemoempfehlungen der Ärztenachgehen soll oder eher nicht – sich am Ende gegen das Bauchgefühl und für eine Chemotherapie entscheiden – und in dieser Zeit sehr schlimme und schmerzhafte Tage und Wochen aushalten. Inzwischen habe ich das als schlimmste Phase meines Lebens verbucht. Plötzlich wird mir der sagenumwobene Leidensdruck zu groß. Ich beginne zu verstehen, dass das höchste Gut des Menschen – die eigene Gesundheit– mehr als nur eine selbstverständlich anzunehmende Floskel ist. Ich entschließe mich, die Verantwortung für mein eigenes Leben nicht länger an der Garderobe der Arztpraxis abzugeben, sondern endlich aktiv zu werden. Ich entscheide, dass ab sofort ICH der Kapitän meines Schiffes, besser: meines lädierten Kutters, bin. So bemerke ich den tiefen Wunsch in mir, dass sich all die Toxine, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, nun endlich aus meinem Körper und meinem kompletten System verabschieden dürfen. Für meine Gesundheit, für mein(Über-)Leben!

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits 13 Jahre vegetarisch gelebt, die Konsistenz von Fleisch war nie etwas für mich. Es ekelte mich. Milch, Eier, Käse und Fisch habe ich dagegen geliebt. Und nun schwindet ein ums andere tierische Produkt aus meinem Kühlschrank und aus meinem Leben. Nachdem ich so viel über das Krebsgeschehen, Ernährung, Säure und Basenhaushalt, Umweltschadstoffe, Nahrungsmittelergänzung, sanfte Medizin und Heilung gelesen habe, ist es aus Liebe zu mir selbst geschehen. Ich fing an zu kochen, zu recherchieren, zuzubereiten, zu lesen, zu beobachten und zu forschen. Ich habe gepresst, eingelegt, verquirlt und getrocknet. Es passierte Erstaunliches: Nachdem ich über ein paar Wochen keine Milchprodukte mehr zu mir genommen hatte, sind plötzlich meine Wassereinlagerungen in den Beinen verschwunden. (Neben meiner Gebärmutter und den Eierstöcken mussten auch 70 Lymphknotenbei der OP entfernt werden. Das hat zu immensen Problemen im Lymphsystem und in meinem kompletten Organismus geführt.) Ich habe erfahren, dass Milch und ihre Derivate die Beschwerden von Menschen mit Lymphmangel sogar noch verschlimmern können. Mir ist klar geworden, dass Lachs zu den toxischsten Lebensmitteln gehört und dass Zucker (im schlimmsten Falle die weiße, raffinierte Variante) eine regelrechte Leibspeise der Krebszellen in meinem Körper ist. Meine Augen und Ohren haben alles aufgesogen, was sie nur annähernd als relevant zum Thema eingestuft haben.

Seitdem kaufe ich lediglich pflanzliche und gesunde Produkte für meinen Haushalt. Ich achte darauf, dass meine Ernährung möglichst zucker- und säurearm ist. Ich schaue, dass ich viel grünes Blattgemüse in roher Form zu mir nehme – dankgrüner Säfte und Smoothies geht das ziemlich einfach. Außerdem kommen Gemüsepfannenmit glutenfreien, mehrkettigen Kohlenhydraten wie Quinoa, Amaranth, Hirse, Buchweizennudeln und Linsen auf meinen Tisch. Im Badezimmerstehen nur noch mineralölfreie, vegane und tierversuchsfreie, ungiftige Hygieneartikel. Auf der mentalen Ebene passiert seit meiner Erkrankung besonders viel: Yoga, Meditation, Innenschau und Persönlichkeitsentwicklung wurden ausschlaggebend für mein jetziges Leben.

Mit gesunder, veganer Nahrung sind schleichend, fast nebenbei, auch Selbstwert und Menschenverstand eingezogen. Es genügte mir nicht, die Ärzte behandeln zu lassen und zu hoffen, dass sich dies positiv auf meine Genesung auswirkt. Der Körper kann über Jahre und Jahrzehnte kompensieren, dann haut die Medizin etwas auf die Symptome und alles ist wieder heil? Für mich war das nicht mehr stimmig …
Ich entscheide seitdem genau, was ich mir zuführe. Durch den Mund, via Gedanken oder auf dem etwas unübersichtlicheren Weg der „Außenwelt“. Denn mindestens genauso wichtig wie die Frage, welche Nahrung ich meinem Körper kredenze, ist die Frage, welche Beziehungen mir denn guttun und in welcher Gesellschaft ich wirklich „ich“ sein kann. Hilft mir diese Verbindung auf meinem Weg, oder schwächt sie eher mein System? Muss ich für jeden immer verfügbar und Projektionsfläche sein? Wer, wenn nicht ich selbst, sorgt sich um mein Wohlergehen?

„Sharing Health, Hope and Happiness“

Auf einer odysseeartigen Reise zu meinem selbstbestimmteren, gesünderen Ich bin ich noch jetzt. Werde ich vielleicht auch immer sein. Doch könnte es sein, dass die Diagnose, die mir so viel Todesangsteingehaucht hat, dass die darauffolgende OP und die schulmedizinische Behandlung, die diese Schmerzen verursacht, mich zu meiner wahren Lebensaufgabe bringen?
Mittlerweile bin ich vegane Ernährungsberaterin, Autorin und Seminarleiterin. Ichwünsche mir nichts mehr, als meinen eigenen kleinen Beitrag für die Gesellschaft und das Wohlbefinden anderer Menschen leisten zu können. Mein besonderes Herzensanliegen gilt denjenigen, deren Situation ich nur zu gut kenne: Ich möchte auch und vor allem krebskranke Menschenermutigen, einen gesunden, lebensbejahenden Lebensstil zu entwickeln und die Hoffnung niemals aufzugeben! Nachdem Motto „Sharing Health, Hope and Happiness“ ist das Ziel meiner Arbeit, Mut zu machen, Trost zu spenden, Tipps zuteilen und auch von Krebs betroffenen Personen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Zurückspulen kann man sein Leben nicht, aber man kann heute etwas verändern – für sich und andere.

Weitere Informationen

  • Zirk, M. Retreat yourself! Loslassen und neu beginnen. Kösel (2017)
Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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