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© B. Teichmann-Wirth

Mein Krebsweg – von der Seele begrüßt

Beatrix Teichmann-Wirth in der momentum 1/2020

Dr. Beatrix Teichmann-Wirth ist Anfang 40, als die Diagnose Krebs in ihre Lebensrealität einbricht. Sie kommt durch die Diagnose mit einem aus dem Organismus stammenden Fühlen in Kontakt und lässt sich in der Folge davon leiten.

Krebs – die Erste: Initiation

Mein Krebsweg begann am 10.4.1998. Wie viele Menschen, die mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, kann ich mich bis heute an einzelne Details erinnern, zum Beispiel welches T-Shirt ich an jenem Tag der Routinemammografie trug und auch, dass die mit mir befreundete Röntgenassistentin etwas verhalten wirkte, als sie mir den Befund aushändigte: ausgedehnte Mikroverkalkungen – kein Hinweis auf ein Tumorgeschehen, Kontrolluntersuchung in einem Jahr.

Mein Mann, der fünf Jahre als Arzt an einer komplementärmedizinischen Krebsambulanz gearbeitet hatte, war alarmiert, als er die Bilder sah – wie ein Sternenhimmel, übersät von weißen Punkten sah meine rechte Brust aus, was für ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Hinweis auf ein Krebsgeschehen war. So wurde ein Mammotomietermin ausgemacht, zu welchem ich ohne größere Aufregung ging. Während der Untersuchung bemerkte ich, dass eine andere als die von mir erwartete Stelle punktiert wurde. Hier hatte ich die erste einer Reihe eigentümlicher, nicht weiter begründbarer Anmutungen: „Wenn diese Stelle punktiert wird, dann ist es Krebs.“ Und so war es dann auch: duktales Karzinom in situ, G1–2. Bei dieser Diagnose herrscht(e) Uneinigkeit in der medizinischen Welt, ob es sich dabei „wirklich“ um Krebs handelt oder nur um eine Vorform. Für mich war es Krebs, und es war wichtig, es als Krebs wahrzunehmen. Nur so konnte ich all die notwendigen Schritte unternehmen, um aus einem für mich unerträglich gewordenen, belastungsreichen Leben zu entkommen.

Am Tag nach der Diagnose hatte ich ein Seminar zu halten. Aufgrund meines Pflichtbewusstseins war eine Absage für mich undenkbar. Auf dem Weg zum Seminarort hatte ich die nächste kristallklare Erkenntnis: „Du musst dich bis in jede Zelle lieben, dann kann dir der Krebs nichts anhaben.“ Das war und ist nach wie vor eine beständige Herausforderung. Ich machte mich sofort auf die Suche nach Informationen. Bei der (Fach-)Literatur, die damals in wesentlich beschränkterem Ausmaß zur Verfügung stand, fiel mir ein bedeutsames Buch in die Hände: Susun Weed „Brustgesundheit – Brustkrebs“. Begeistert las ich, dass es darum ginge, zunächst innezuhalten, sich Zeit zu lassen, eine Entscheidung zu sich kommen zu lassen und sie nicht zu erzwingen.

Ich trat auch mit verschiedenen Krebseinrichtungen in Kontakt. Noch wusste ich ja nicht, auf welchen schul- oder alternativ-medizinischen Weg ich mich einlassen würde. Eine radikale Umstellung meiner Ernährung, eine homöopathische Behandlung sowie eine Veränderung meiner Lebensweise und weitere Optionen waren für mich denkbar.

Der erste Chirurg, den ich kontaktierte, ein anerkannter Universitätsprofessor, ließ nach einem Blick auf die Ausdehnung des Krebsgeschehens ein Wort fallen: „Ablatio“. Ich wusste damals nicht, was das ist, konnte mir jedoch denken, dass das nichts Gutes bedeutet. Ich fragte, ob es nicht auch möglich wäre, erst einmal abzuwarten, das Geschehen zu beobachten, gesundheitsfördernde Maßnahmen und eine naturheilkundliche Behandlung anzuwenden. Er schaute mich erstaunt an, um mir sodann eindrücklich zu erklären: „Sie haben Krebs.“ Auch könne man bei einer derartigen Ausdehnung des Tumor-geschehens – 8 mal 10 cm – mit einer brusterhaltenden Operation nicht im Geunden operieren, bzw. das kosmetische Ergebnis wäre nicht zufriedenstellend. Ich bräuchte danach keine Bestrahlung und sei geheilt. In der Tür stehend verabschiedete er mich mit dem Satz: „Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit!“ Ich glaube, das ist einer der häufigsten Sätze, den Patient*innen nach einer Krebsdiagnose hören. Es lässt sie schnell, meist noch im Schock, entscheiden, welchen Behandlungsmethoden mit teilweise nachhaltigen Folgen sie sich unterziehen. Zum Glück empfand ich den menschlichen Kontakt zu diesem Arzt so wenig befriedigend, dass ich genau spürte, dass derartige Begegnungen sich nicht heilsam auf mich und damit meine Gesundheit auswirken.

Rund um die Diagnose war mein Bewusstsein derart angehoben, dass ich sehr schnell wusste, welcher Schritt mir zum Heil gereichte und welcher nicht. So wählte ich einen Chirurgen, der mir, obwohl State of the Art die ganze Brust zu entfernen gewesen wäre, nur den betroffenen Teil entfernte. Ich wählte ihn nicht nur aufgrund seiner hohen Kompetenz auf diesem Gebiet und seiner Menschlichkeit, sondern weil „etwas“ in mir sagte, dass er der Richtige sei. Dieses tiefe innere Wissen, das mich leitete, wurde sowohl durch das Operationsergebnis bestätigt als auch durch seine Begleitung über all die Jahre. Da Krebs in vielen Fällen eine chronische Erkrankung ist, braucht es eine Begleitung, die wohltuend und vor allem frei von Angst ist. Zu oft getrauen sich Krebskranke aus Angst vor abwertenden Reaktionen nämlich nicht, ihrem schulmedizinischen Onkologen zu sagen, dass sie ihre Gesundung durch komplementärmedizinische Maßnahmen, durch Meditation und Lebensveränderung oder Psychotherapie unterstützen.

Natürlich suchte ich auch komplementärmedizinische Ärzt*innen auf. Da mir von diesen jedoch oft Dogmatismus und eine Aufforderung zur Ausschließlichkeit entgegengebracht wurde, blieben diese Behandlungstüren zuerst einmal verschlossen. Ich finde die Ausschließlichkeit in die eine oder andere Richtung unheilvoll. Schulmediziner wie auch alternativmedizinische Therapeuten, die dogmatisch für eine von ihnen favorisierte Vorgehensweise eintreten, verursachen einen starken Druck und bringen die Patient*innen damit in eine große Entscheidungsnot. Ich hatte außerdem bereits eine Ahnung, dass die Krebserkrankung ein Ausdruck meiner erbarmungslosen Härte gegen mich selbst war. Da die Verpflichtung zu einer strengen Selbstdisziplin im Hinblick auf Ernährungs- und Körperrichtlinien mein Leben diktierte, spürte ich, dass es mehr um eine Befreiung von strikten Konzepten und einer von Mitgefühl und Verstehen getragenen Beziehung zu mir und meinem Körper ging.

Und noch ein weiterer Grund war für meine Entscheidung zur Operation ausschlaggebend: Ich wollte, dass mir von kundigen Händen etwas abgenommen wird. Die Vorstellung, dass der Tumor aus meinem Körper entfernt wird, war wohltuend und erleichternd. Auf dieser Basis der Befreiung und nicht durch ein aktives Krebsgeschehen belastet, konnte ich mit Freude mein neues Leben beginnen. Und als ich mich dann – trotz Drängens – erst nach Monaten zur Bestrahlung entschied, war auch diese von der Seele begrüßt. Die Nebenwirkungen blieben gering, erfahren habe ich eine große energetische Öffnung im Herzbereich, dort, wo ja die Bestrahlung angewandt wurde, und tiefe Dankbarkeit für die mich so liebevoll und engagiert behandelnden Menschen. Die Bestrahlung gab mir zudem Gelegenheit zur Selbstfürsorge, brauchte es doch, um die Schäden durch die Verbrennung gering zu halten, eine tägliche Pflege. Diese Zuwendung zu meiner Brust war heilsam. Da mein Tumor hormonrezeptorpositiv war, gehörte es zur Standardtherapie, ein hormonsuppressives Medikament – Tamoxifen – einzunehmen. Ich lehnte diese Therapie nach längerer Reflexion und trotz teilweise heftigen ärztlichen Widerstands ab, weil ich mit 41 Jahren nicht in einen sofortigen Wechsel kommen wollte. Es ergab für mich keinen Sinn, bei einer Erkrankung, die für mich mit einer gekränkten und unheilvollen Beziehung zu meiner Weiblichkeit zusammenhing, diese Beziehung noch weiterhin zu stören, indem ich so vehement in den hormonellen Kreislauf eingreife. Ich ließ mir also viel Zeit, ich ließ mir meine Zeit für die zu treffenden Entscheidungen. Das war gut so. Nur wenn ein Mensch auf allen Ebenen einverstanden ist mit einer Behandlung, wenn er verstehen kann, warum sie und nicht eine andere sinnvoll ist, kann er sie mittragen.

Die Zeit rund um die erste Diagnose war im Gegensatz zu meinem Leben davor, das von Leistung, Druck, Angst und Selbstentfremdung bestimmt war, von einem hellen Schein umgeben. Endlich durfte ich mich um mich und meinen Körper kümmern, weil ich musste. Die Welt mit all ihren Ansprüchen rückte ab. Es muss offenbar (für mich) eine derart bedrohliche Erkrankung geben, um Erlaubnis zu erhalten, einfach zu leben und das Leben in seiner ursprünglichen, unmittelbaren Es-senz zu erfahren.

Krebs – die Zweite: über die Genauigkeit in der Therapiewahl

Viereinhalb Jahre nach der ersten Diagnose wurde in der linken Brust eine Mikroverkalkung festgestellt. Vielleicht hätte sich ein weiteres Krebsgeschehen nicht entwickelt, hätte ich die Medikamente eingenommen. Aber es war damals eine genau bedachte und befühlte Entscheidung, so haderte ich nicht mit der Tatsache. Natürlich war auch das ein Schock, vielleicht sogar noch stärker, hatte ich doch schon viele Lebensveränderungen vorgenommen. Ich lebte nach den Kriterien der ayurvedischen Medizin und fühlte mich dadurch ausgeglichen und wohl in meinem Körper.

Die leisen Zweifel ignorierend, habe ich mich schnell für denselben Behandlungsweg entschieden. Es war eine eindrückliche Erfahrung, dass ich, obwohl ich den gleichen Behandlungsweg beschritt, von massiven, unüblichen Nebenwirkungen betroffen war. Ich habe diese Symptome so interpretiert, dass es darum geht, auch beim selben Krebs immer neu eine im oben genannten Sinn fundierte Entscheidung zu treffen. Wie wesentlich die persönliche Ausrichtung, die Einstellung dafür ist, wie die Behandlung wirkt und zu welchen Nebenwirkungen es kommt, habe ich also am eigenen Leib erfahren.

Ich möchte auch diese zweite Erfahrung nicht missen. Ich habe mich von bislang unbekannten Seiten – vor allem in meiner menschlichen Verletzlichkeit – erfahren. Vor allem hat es mir ermöglicht, den, wie ich meine, wesentlichen Schritt zu tun, nämlich meine psychotherapeutische Praxis für eineinhalb Jahre zu schließen und erstmalig – so kam es mir vor – ein nahezu pflichtfreies Leben zu führen.

Krebs – die Dritte: cut and go

Sukzessive ist die Angst vor einer neuerlichen Diagnose gewichen. So war ich erstaunt, dass bei der Kontrollmammografie Ende 2017, 20 Jahre nach meiner ersten Diagnose, mehrere suspekte Herde in meiner linken Brust wurden. Das MRT und die Biopsie bestätigten mein inneres Wissen, dass es sich wieder um Krebs handelt. Die Entscheidung zu einer Totaloperation tat sich bereits auf der Untersuchungsliege auf. State of the Art sollte mir nur die eine von Krebs befallene Brust abgenommen werden. Ich bin meiner Chirurgin zutiefst dankbar, dass sie erkannte, dass meine Entscheidung zur Totaloperation beider Brüste wohlüberlegt und offenbar auch in wissender Fühlung mit dem Geschehen war, da bei der postoperativen Histologie festgestellt wurde, dass in beiden Brüsten ein multizentrisches Krebsgeschehen und damit auch schulmedizinisch eine Indikation für eine Totaloperation vorlag.

Ich nahm mir bis zum Operationstag genügend Zeit, um mich im Hinblick auf die Endgültigkeit dieses Schrittes vorzubereiten und mich von meinen Brüsten zu verabschieden. Die Operation verlief sehr gut, und ich erholte mich rasch. Ich fühle mich wohl und schön, Brust-los, wie ich bin. Mit meiner Initiative „Flat Is Beautiful“ möchte ich zeigen, dass der Verlust unserer Brüste nicht darüber entscheiden muss, wie weiblich wir uns fühlen.

Natürlich stellte ich mir die Frage, warum bei meiner Lebensweise – eine überwiegend vegane Ernährung, täglich Yoga und Meditation, Sport und Bewegung in der Natur, eine liebevolle Beziehung, gute Freunde und Freundinnen – sich neuerlich Krebs entwickelte. In meiner subjektiven Krankheitstheorie war die Diagnose ein Aufruf, dass ich (endlich) aufhören sollte, lange psycho-therapeutische Prozesse zu begleiten, weil sie mich im Gegensatz zu Krebscoachings, die ich freudig mache, zu sehr erschöpfen. Und das tat ich: Ich schloss meine psychotherapeutische Praxis nach 38 Jahren.

Meine Krebskrankheit war mir stets eine Freundin und (Lebens-)Lehrerin. Dafür bin ich dankbar. Nun ist es an mir, meinen Weg im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheit weiterzugehen: den durch frühe traumatische Belastung verursachten Stress zu reduzieren, meinem Organismus Gehör zu schenken, radikal zu sein, wozu ich Ja und Nein sage, mich um Wohlwollen mir selbst gegenüber zu bemühen und vor allem meiner Be-Ruf-ung zu folgen – mein Wissen über einen selbstbestimmten Krebsweg zu verbreiten, den Krebs zu entdämonisieren, zu vermitteln, dass in uns ein tiefes (organismisches) Wissen als Entscheidungsinstanz zur Verfügung steht. Letztlich – und das ist das Wichtigste –, dass wir ein Recht auf ein sinnerfülltes, freudvolles, von der Seele begrüßtes Leben haben.

Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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