Artemisia bei Krebs
Ich habe gehört, dass Artemisia bei Krebs helfen soll, und überlege daher, das Kraut als Tee zu trinken. Was halten Sie davon?
Artemisia bezeichnet die Pflanze, den Beifuß, während der eigentliche Wirkstoff Artemisinin ein sekundärer Pflanzenstoff ist, der in den Blättern und Blüten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua) vorkommt. Artemisinin wird weltweit zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Die chinesische Pharmakologin Youyou Tu fand heraus, dass Artemisinin das Wachstum von Plasmodien hemmt, die Malaria auslösen. Für diese Entdeckung erhielt sie 2015 den Nobelpreis für Medizin.
Die Rolle von Eisen. In den letzten Jahren deutete sich an, dass der Einjährige Beifuß nicht nur gegen Malaria hilft. Zahlreiche Ergebnisse aus Labor- und Tierversuchen lassen hoffen, dass sein Wirkstoff auch bei der Therapie von Krebserkrankungen eingesetzt werden könnte. Wahrscheinlich entfaltet Artemisinin seine zellschädigende Wirkung im Krebsgewebe ähnlich wie bei den Malariaerregern über die Entstehung von aggressiven Sauerstoffteilchen (H2O2). Für diese Reaktion wird Eisen benötigt. Dies erklärt vielleicht auch die spezifische Wirkung an Krebszellen: Tumorzellen enthalten oft mehr Eisen als gesunde Zellen.
Vorsicht bei Kombinationen. Die bisherigen Ergebnisse klingen vielversprechend, allerdings ist immer noch unklar, in welcher Dosierung eine Therapie am wirksamsten ist und ab wann Nebenwirkungen die positiven Effekte überschatten. Denn auch wenn Artemisinin und seine Derivate allgemein als gut verträglich angesehen werden: Ihre Kombination mit anderen Mitteln kann problematisch sein. So traten tödliche Wechselwirkungen bei Patienten mit Hirntumoren auf, die gleichzeitig eine Chemotherapie, chinesische Kräuter beziehungsweise Dichloracetat erhalten hatten (Efferth T et al. / Arch Toxicol 2017 und Uhl M, Schwab S, Efferth T / Front Oncol 2016). Es zeigt, dass auch wenn jedes Medikament für sich allein ein geringes Nebenwirkungsrisiko hat, die Kombination mit anderen Arzneien – auch aus der Naturheilmedizin! – zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann.
Gute Verträglichkeit. Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie beobachtete Patienten mit Darmkrebs (Krishna S et al. / EBioMedicine 2015), die vor ihrer Operation entweder 14 Tage mit Artesunate oder Placebo behandelt wurden. Die Wissenschaftler beobachteten für die Auswertung, wie lange die Patienten lebten. Sie suchten Anhaltspunkte für das Absterben der Tumorzellen (Apoptose) und analysierten mehrere Tumormarker. 20 von 23 Patienten (Artemisinin = 9, Placebo = 11 vervollständigten das Testprotokoll. In der Summe verlängerte Artesunate die Überlebenszeit und wurde allgemein gut vertragen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Prüfung von Artemisinin als potenzielles Krebsmedikament noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Aktuell liegen abgesehen von Tier- und Laborexperimenten nur wenige Ergebnisse aus Studien an Krebspatienten vor, die zudem mit sehr kleinen Gruppen durchgeführt wurden. Die positiven Aussagen über die Wirksamkeit bei Krebs beruhen vor allem auf Einzelfallbeobachtungen und Laborversuchen. Wenn die Forschung belastbare Daten für den Umgang mit arzneilichem Beifuß, seinen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hervorgebracht hat, ist es durchaus denkbar, dass er seinen Platz als Mosaikstein im Gesamtkonzept einer komplementären Krebsbehandlung findet. Auch wenn es sich im Ursprung umeine Pflanze und damit um eine natürliche Substanz handelt, sind die Risiken nicht zu unterschätzen. Artemisinin gehört daher ausschließlich in die Hände von erfahrenen Therapeuten. Von einer Eigenmedikation mit solchen Medikamenten raten wir ganz entschieden ab.
Aus der Praxis. Bisherige Rückmeldungen und Erfahrungen von Therapeuten deuten darauf hin, dass Artemisinin vor allem bei Krebsformen des Unterleibs (Eierstöcke, Gebärmutter, Prostata) hilfreich sein könnte. In der praktischen Anwendung hat sich herauskristallisiert, dass Infusionen besser zu wirken scheinen als orale Gaben. Auch wenn bisherige Studien noch nicht gezeigt haben, dass Beifuß auch in Form von Tee das Krebsgeschehen beeinflusst, halten wir das durchaus für möglich. Probieren Sie es aus, und spüren Sie aufmerksam in sich hinein, ob der Tee Ihnen wohltut. Wie bei allen potenziellen Heilkräutertees ist es sinnvoll, es mit der Menge nicht zu übertreiben und gelegentlich die Sorte zu wechseln.
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