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Kontroverse um Methadon geht weiter

17. Mai 2018

Mit dem Abstract einer Studie gehen das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) Ende Februar ungewöhnlich früh an die Öffentlichkeit. Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm wirft den Forschern schwere methodische Mängel vor.

Mit dem Abstract einer Studie gehen das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) Ende Februar ungewöhnlich früh an die Öffentlichkeit. Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm wirft den Forschern schwere methodische Mängel vor.

„Methadon verstärkt nicht die Wirksamkeit der Chemotherapie bei Patienten mit Hirntumoren”. Mit dieser Aussage stellten Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) auf dem 33. Deutschen Krebskongress Ende Februar 2018 in Berlin ihre Zellkulturexperimente vor. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) legte am 28. Februar mit einer Presseinformation nach. „Diese aktuellen Daten widerlegen die Hypothese, dass Methadon beim Glioblastom die Wirkung einer Chemotherapie in der Zelle verstärkt”, kommentierte Professor Uwe Schlegel, einer der federführenden Autoren für die Leitlinie „Hirntumoren” der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Die Forscher hatten im Labor den spezifischen Effekt von L-Methadon auf Glioblastomzellen untersucht. Sie behandelten Zellkulturen des Hirntumors mit dem Chemotherapie-Medikament Temozolomid allein, mit Methadon allein oder mit einer Kombination aus beidem. Unbehandelte Zellkulturen dienten als Kontrolle. „Das Opioid hat keinerlei sensibilisierende Wirkung für die bei Glioblastomen eingesetzte Standardtherapie mit Temozolomid. Auch Methadon allein hat keinen nachweisbaren Effekt auf das Überleben oder Sterben der Krebszellen”, so das Resümee von Professor Wolfgang Wick, Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg und Leiter der Arbeitsgruppe. Die Erklärung dafür: In der überwiegenden Mehrzahl der Zellen von humanen Glioblastomen fehlte die spezifische Andockstelle, der Opioidrezeptor, für das Medikament. Ohne Andockstelle an der Krebszelle könne Methadon keine Anti-Tumor-Wirkung entfalten. Diese neuen Erkenntnisse sprechen gegen einen Einsatz von Methadon als unterstützende Behandlung zur Chemotherapie bei Glioblastom. „Außerhalb von klinischen Studien ist von einer „supportiven” Methadon-Therapie des Glioblastoms dringend abzuraten”, so Schlegel.

„Im falschen Zellsystem kann Methadon nicht wirken”

In der Online-Ausgabe der Deutschen Apotheker-Zeitung (DAZ.online) kritisierte Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm die experimentelle Studie: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/03/08/im-falschen-zellsystem-kann-methadon-nicht-wirken. 2007 hatte die Ulmer Chemikerin entdeckt, dass D-L-Methadon auch für Krebspatienten geeignet sein kann. Dr. Friesen beschreibt heute die Wirkung von Methadon bei vielen fortgeschrittenen Krebsarten aufgrund von Patientenberichten.

Die Studie der Arbeitsgruppe von Prof. Wick habe drei Grundvoraussetzungen nicht erfüllt, so Dr. Claudia Friesen: Die erforderlichen Zellsysteme, die erforderliche Substanz und die erforderlichen Konzentrationen.

„Gliome besitzen Opioidrezeptoren, Andockstellen für Methadon, auf der Zelloberfläche. Methadon benötigt diese Opioidrezeptoren für seine Wirksamkeit”, so. Dr. Friesen auf DAZ.online. Deshalb seien Opioidrezeptoren auf einer Zelloberfläche für eine Studie mit Methadon erforderlich. Diese Grundvoraussetzung fehle bei der Studie des Deutschen Krebs-forschungszentrums (DKFZ)

Laut Dr. Friesen solle in Studien D,L-Methadon verwendet werden. D-Methadon biete dem L-Methadon zusätzlich den Vorteil, dass die Herunterregulation der Opioidrezeptoren auf der Zelloberfläche, die durch eine Behandlung mit reinen Opioidagonisten wie L-Methadon auftreten kann, verhindert werde. In der DKFZ-Studie sei laut Abstract nur das L-Methadon verwendet worden.

L-Methadon sei in der Studie zudem nur in einer einzigen Konzentration untersucht worden, nämlich 1 µM. Dr. Friesen verweist darauf, dass eine Dosisfindungsstudie der eingesetzten Substanz nötig sei, um die Wirkung über einen großen Konzentrationsbereich abschätzen zu können. „Die Verwendung einer einzigen beliebig gewählten Konzentration von L-Methadon wie in der Wick-Studie gleicht einem Lotteriespiel, ob man rein zufällig eine wirksame oder unwirksame Konzentration verwendet”, so Dr. Friesen.

Warum Glioblastomzellen in der Wick-Studie in der überwiegenden Mehrzahl keine Opioidrezeptoren besitzen und gerade diese Zellen dann in die Untersuchungen von der Wirkung von L-Methadon eingesetzt wurden, ist aufgrund der bereits vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nachzuvollziehen. Warum L-Methadon statt D,L-Methadon und auch warum nur eine einzige Konzentration von L-Methadon in dieser Studie verwendet wurde, ist nach den oben dargelegten wissenschaftlichen Aspekten ebenfalls nicht zu verstehen.”

Die Replik von Prof. Wolfgang Wick
Am 12. März 2018 beklagte sich Prof. Wolfgang Wick in DAZ.online darüber, dass eine „eine ausgewogene Berichterstattung schwierig scheint und Interessenkonflikte stets auf Seiten der Kritiker und nie auf Seiten der Erfinder des neuen Konzepts gesehen werden.” Außerdem würden Patienten und Angehörige gezielt verunsichert.

Kommentar der GfBK
Wir halten es für ungewöhnlich, dass eine Forschergruppe und eine medizinische Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), mit einem Ergebnis einer Studie an die Öffentlichkeit geht, ohne dass diese Daten in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht wurden. Es scheint uns eher darum zu gehen, wieder die Deutungshoheit in der Diskussion um Methadon zu bekommen.

Anstatt die langjährige Grundlagenforschung in Frage zu stellen, ist es aus unserer Sicht nötig, dass Wissenschaftler endlich ernsthafte klinische Studien auf den Weg bringen.

Die GfBK stellt unter https://www.biokrebs.de/therapien/weitere-therapieansaetze/methadon ausführliche Information zu Methadon zur Verfügung.

Am 14.5.2018 gab der Ärztliche Direktor des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm diese Stellungnahme zu einer Veranstaltung gegen den Einsatz von Methadon in der Krebstherapie beim 12. Ärzte- und Patientenseminar am 10.3.2018 in Ludwigsburg heraus: Lügen und Rufmord in der Onkologie – Ein Fallbeispiel.

Hier finden Sie die Pressemitteilung zum Beschluss des Landesgerichts Hamburg: Krebsforscherin Dr. Claudia Friesen erringt Sieg gegen Methadon-Gegner vor dem Landgericht Hamburg.


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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