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Cannabis bei Krebs

09. November 2017

Ich bin Krebspatient und überlege, Cannabis zu nehmen. Wie wirkt Cannabis? Und kann es jeder Arzt verschreiben?

Die Cannabispflanze gehört zu den Hanfgewächsen mit teilweise psychoaktiven Wirkstoffen (THC), die als Haschisch oder Marihuana (Gras) konsumiert bzw. geraucht werden. Cannabis (das lateinische Wort für Hanf) besitzt eine jahrtausendealte Tradition als Heil- und Nutzpflanze und wurde infolge der aufstrebenden Cellulose -und Erdölproduktion im letzten Jahrhundert weltweit zurückgedrängt und zum Rauschgift degradiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwand Cannabis aus den Arzneibüchern, da die Präparate nicht standardisiert werden konnten.

Verschiedene Cannabis-Inhaltsstoffe (Cannabinoide) sind für die Wirksamkeit an den Rezeptoren des körpereigenen Cannabinoidsystem bedeutsam. Die Identifizierung der chemischen Struktur der meisten Cannabinoide gelang erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die bekannteste Substanz, das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), ist das wichtigste psychotrope Cannabinoid, das eine Rauschwirkung erzeugt. Neben THC ist auch der nicht psychotrope Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) bedeutsam. THC-arme Hanfsorten werden auch als Faserhanf bezeichnet, THC-reiche Hanfsorten als Drogenhanf. Während für THC schmerzlindernde, appetitsteigernde und muskelentspannende Eigenschaften im Vordergrund stehen, wirkt CBD vor allem angstlösend und entzündungshemmend. Beide, THC und CBD, hemmen die Übelkeit. Viele Produkte enthalten sowohl THC als auch CBD, da die Kombination wirksamer zu sein scheint.

Studien zeigen, dass Cannabinoide einen schmerzlindernden Effekt bei Krebserkrankungen haben. Schätzungen zufolge profitieren 10 bis 20 Prozent der Schmerzpatienten von einer alleinigen konventionellen Schmerztherapie nicht, so dass hier eine Therapie mit Cannabinoiden denkbar wäre. Auch wenn die Schmerzlinderung durch Cannabinoide im Gegensatz zu den Opioiden als schwach eingeschätzt wird, können sie bei Krebsschmerzen eine Verbesserung der Beschwerden bewirken (Tateo S/Journal of the American Association of Nurse Practitioners 2016).

Cannabis ist jedoch kein Wundermittel und in seiner Wirksamkeit bei Krebspatienten bisher nur als zusätzliche Medikation bei Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust untersucht worden. Die Aussage, dass Cannabinoide in der Lage sein sollen, Tumorzellen abzutöten, beruht lediglich auf Laborversuchen, zum Beispiel an Ratten mit Hirntumoren, bei denen der Tumor bei einem Drittel der Tiere komplett zurückging (Galve-Roperh I/Nat Med 2000). Eine aktuelle plazebokontrollierte Pilotstudie mit 21 Patienten weist darauf hin, dass unter der Gabe von Sativex® und Temozolomid beim Glioblastom mehr Patienten ohne einen Rückfall überleben könnten. Die Bedeutung von Cannabinoiden in der Krebstherapie kann durch diese kleine Studie jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Von daher beruhen die meisten positiven und teilweise nicht nachprüfbaren Aussagen zur Wirksamkeit bei Krebs auf Erfahrungsberichten von Patienten. In der Krebstherapie ist Cannabis somit ein Baustein unter vielen und besonders bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien geeignet, um zum Beispiel Schmerzen zu lindern oder einer Gewichtsabnahme entgegenzuwirken. Wie bei anderen Substanzen ist es bei Cannabis schwierig, im Einzelfall die Wirkung vorherzusagen.

Durch ein neues Gesetz, das im März 2017 in Kraft getreten ist, können Schwerkranke mittels Betäubungsmittelrezept Cannabisblüten und Extrakte in der Apotheke erhalten. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen und dürfen „nur in begründeten Ausnahmefällen“ von der Krankenkasse abgelehnt werden. Damit entfällt das bisherige Verfahren, dass Patienten bei der Bundesopiumstelle eine Ausnahmeerlaubnis beantragen müssen. Außerdem schreibt das neue Gesetz nicht vor, wann Cannabis eingesetzt werden darf, sondern überlässt diese Entscheidung weitgehend den Ärzten, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht“ oder wenn diese Leistung „im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann“. Laut Gesetz muss der verordnende Arzt für jede Cannabis-Behandlung Daten anonym an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte senden (www.begleiterhebung.de). Sind der Arzt oder der Patient dazu nicht bereit, werden die Kosten von den Krankenkassen nicht erstattet. Außerdem müssen Patienten vor der Einlösung eines Rezeptes bei den Krankenkassen einen Antrag stellen und den Bescheid abwarten, da sonst aus formalen Gründen die Kostenübernahme abgelehnt werden kann,

Allerdings ist es seit der Neuregelung für viele Patienten nicht leichter, sondern schwerer geworden, Cannabis zu erhalten. Das liegt daran, dass unscharf formulierte Paragraphen es den Krankenkassen erleichtern, die Anträge der Patienten für die teure Therapie abzulehnen. Das betrifft leider auch viele Patienten, die vor der neuen Gesetzesregelung bereits eine Ausnahmegenehmigung hatten. Außerdem ist die Nachfrage nach Cannabis so angestiegen, dass es immer wieder zu Engpässen kommt und manche Cannabisblüten über die Apotheken gar nicht mehr lieferbar sind.

Patienten sollten vor allem wissen, dass man nicht einfach in einer Praxis vorbeikommen kann, um sich mal eben Cannabis auf Rezept verordnen zu lassen, da sich (noch) nicht jeder Arzt mit der Verordnung und Dosierung von Cannabis auskennt. Die Einstellung der Dosis gehört definitiv in die Hand erfahrener Ärzte und muss individuell eingestellt werden. Wichtig ist, die Dosis niedrig dosiert zu starten und langsam zu erhöhen. Besonders bei Schmerzen sollte die Gabe von einem Schmerztherapeuten begleitet werden, der auch entscheiden kann, ob weniger gut verträgliche Schmerzmittel abgesetzt oder reduziert werden können.


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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