Amygdalin ist ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff und kommt vor allem in bitteren Aprikosenkernen, Bittermandeln und in geringerer Menge auch in Apfelkernen vor. Bekannt ist Amygdalin auch unter dem Namen Laetrile, B17 oder – fälschlicherweise – „Vitamin” B17.
Auch die Bezeichnung Laetrile als Synonym ist eigentlich nicht korrekt, da Laetrile (LAEvorotatory and mandeloniTRILE) eine halb-synthetische Form von Amygdalin darstellt und sich strukturell von der Muttersubstanz unterscheidet. Amygdalin enthält eine inaktive Blausäureform, die durch den Einfluss bestimmter Enzyme in Cyanid/Blausäure zerfällt und den gesunden Zellen nicht schaden, dafür aber eine giftige Wirkung auf Krebszellen haben soll. Forscher der Uniklinik Frankfurt haben inzwischen auch mögliche andere Wirkmechanismen von Amygdalin entdeckt. Sie konnten in Laborexperimenten zeigen, dass bestimmte Eiweiße, die im Zellwachstum regulierend eingebunden sind, durch Amygdalin verändert werden und dadurch das Wachstum isolierter Tumorzellen gehemmt werden konnte (Makarević J, Blaheta RA et al./ PLoS One. 2014)

Amygdalin ist als alternatives Heilmittel äußerst beliebt und wird von Patienten häufig nachgefragt, ohne dass bisher eine zufriedenstellende wissenschaftliche Einschätzung dieses Naturstoffes erfolgt ist. Im deutschen Sprachraum wird die Substanz in erster Linie durch Philip Day in seinem aus dem Englischen übersetzten Buch „Krebs-Stahl, Strahl, Chemo und Co - vom langen Ende eines Schauermärchens” propagiert.

Wissenschaftlich wurde Amygdalin bereits in den 20er-Jahren von Ernst Krebs entdeckt. Basierend auf Tierversuchen wurden der Substanz tumorhemmende Eigenschaften zugeschrieben. Seit den 70er Jahren ist Amygdalin als Naturheilmittel vermehrt in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Seine Bedeutung als potentielles Antitumormittel wird jedoch äußerst kontrovers diskutiert, und zwei extreme Positionen stehen sich nahezu kompromisslos gegenüber. Befürworter betrachten Amygdalin als alternatives oder natürliches Mittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen oder deren Symptomen. Sie verweisen dabei auf angebliche Erfolge bei der Krebsbekämpfung. Gegner sehen in Amygdalin hingegen ein unseriöses Wundermittel und warnen vor möglichen toxischen Effekten durch gebildete Cyanide. Beide Aussagen sind nicht überprüfbar, da detaillierte Studien zu dieser Fragestellung fehlen.

In einer vom National Cancer Institute (NCI) und FDA Ende der 70er Jahre gesponserten Studie an Tumorpatienten ließ sich unter Amygdalin keine Wachstumshemmung induzieren. Es wurde damals geschlussfolgert, dass Amygdalin unwirksam in der Krebstherapie und mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen behaftet sei (Moertel CG, Fleming TR et al./ N Engl J Med. 1982). Kritiker bemängelten allerdings das Design der Studie, die fehlende Vergleichsgruppe und dass eine unwirksame Substanz eingesetzt worden sei (“Laetrile”/ N Engl J Med. 1982).

Die Unsicherheit wird in einem von Milazzo und Mitarbeitern veröffentlichten Übersichtsartikel deutlich. Zwar fassen die Autoren zusammen, Amygdalin sei als Antitumor-Mittel ungeeignet, verweisen jedoch in der Detailanalyse auf ein komplettes oder teilweises Ansprechen in 12,5 %, auf eine Stabilisierung der Krankheit in 6,8 % und auf eine Beschwerdelinderung in 22,9% von insgesamt 368 Tumorpatienten. In separat aufgeführten Einzelfallberichten dokumentieren die Autoren einen positiven Effekt von Amygdalin in vier von insgesamt neun Fällen (Milazzo S, Lejeune S, Ernst E/ Support Care Cancer 2007).

Angesichts des mangelhaften Wissenstandes einerseits, der weit verbreiteten Einnahme von Amygdalin andererseits ist es unverständlich, dass in den letzten Jahrzehnten keine weiteren Studien zu dieser Substanz aufgelegt wurden. Das Dilemma wird nicht zuletzt in einer vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul Ehrlich Institut herausgegebenen Stellungnahme deutlich. Nach wie vor beruht die Bewertung des therapeutischen Potentials von Amygdalin auf der im Jahre 1982 durchgeführten Patientenstudie (Link zur Patientenstudie).

Zusammenfassend kann man feststellen, dass der aktuelle Wissensstand leider keine Bewertung zum Wirkungsgrad von Amygdalin erlaubt. Die positiven Aussagen über die Wirksamkeit bei Krebserkrankungen beruhen vor allem auf Erfahrungsberichten.

Die empfohlenen Tagesdosen werden in der Presse sehr unterschiedlich angegeben. Gewarnt wird vor allem davor, dass Amygdalin zum Teil in das starke Gift Blausäure umgewandelt wird und bei Einmaldosen von mehr als 1 g lebensbedrohliche Komplikationen aufgetreten sind. Allerdings soll gesunden Zellen das Enzym, was Amygdalin in Blausäure umwandelt, weitgehend fehlen, während Tumorzellen dieses Enzym (ß-Glucosidase) in 3000-fach höherer Konzentration enthalten. Außerdem kann die Leber durch die Aktivität des Enzyms Rhodanase Blausäure abbauen. Diese Mechanismen bestätigen die Erfahrungen von Betroffenen und Ärzten, nämlich dass selbst bei hohen Dosierungen von täglich 40-50 bitteren Aprikosenkernen keine toxischen Nebenwirkungen auftreten und dass die Verträglichkeit in der Regel gut ist. Bestätigt wurde dies 2007 höchstrichterlich vom Oberlandesgericht Niedersachsen, wobei festgestellt wurde, dass das hochreine Amygdalin sowohl oral als auch als Infusion ungiftig ist. Anfänglich können jedoch Übelkeit oder Schwindel hervorgerufen werden, die nach Reduzierung der Dosis vollständig abklingen. Daher sollte man die orale Dosis zunächst nur langsam steigern: Anfänglich kann mit 3 Kernen z. B. abends, am besten mit getrockneten Aprikosen, um die Aufnahme zu verbessern, begonnen werden. Bei guter Verträglichkeit kann dann alle 3 Tage um 3 Kerne gesteigert werden bis auf maximal 20 bis 40 Kerne pro Tag. Wichtig ist es auch, die Kerne gut durchzukauen und nicht unzerkaut zu schlucken.

Wichtig: Einige Therapeuten geben zu bedenken, dass für Patienten, die einen wachsenden Tumor haben, die Wirkung durch das Verzehren von Aprikosenkernen alleine nicht ausreicht, sondern dass hoch dosierte Infusionen über einen längeren Zeitraum notwendig sind. So enthält eine Infusion mit 18g Amygdalin die Menge, die in 36.000 bitteren Aprikosenkernen enthalten wäre. Und eine Infusion von 1,5g, die Patienten zur Prophylaxe erhalten, enthält immer noch die Amygdalinmenge von 1500 Kernen!

Fazit
Diese Therapieform ist im Rahmen eines individuellen Heilungsversuches durchaus zu empfehlen, kann jedoch nur ein Teilaspekt einer komplementären Krebsbehandlung sein. So setzen erfahrene Therapeuten die Therapie mit Amygdalin immer in Kombination mit anderen immunbiologischen Methoden ein.

Kosten
Die Substanz, vor allem die für die Anwendung als Infusion, ist teuer. Ein Gramm kostet ca. 10 Euro. Bei einer Infusion mit 18g sind das 180 Euro. Bei häufiger Anwendung entstehen deshalb schnell hohe Kosten. Der Grund für den Preis ist leider der mangelnde Wettbewerb aufgrund des Handelsverbotes in Deutschland. Außerdem verlangen einige unseriöse Therapeuten unbegründbare Preise von bis zu 20.000 Euro pro Monat! Ein weiteres Problem: Nicht immer hat das angebotene Amygdalin eine gute Qualität, und nur wenige Präparate enthalten den Wirkstoff in ausreichender Konzentration.

Bezugsquellen
Kapseln oder Tropfen:
Flora Apotheke Friesenstraße 24a, Hannover, www.flora-pharm.de
Homöopathische Zubereitung C 30:
Altstadtapotheke Amberg, www.altstadtapotheke-amberg.de
Bittere Aprikosenkerne:
www.sandos-naturkost.de, www.topfruits.de, www.bergfrisch.com
Injektionspräparate:
www.curafaktur.de, www.cfb-eigenherstellung.de