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Fleischkonsum doch nicht so schlimm?

04. Dezember 2019

Johnston BC, Zeraatkar D, Han MA, et al. Unprocessed Red Meat and Processed Meat Consumption: Dietary Guideline Recommendations From the Nutritional Recommendations (NutriRECS) Consortium. Ann Intern Med. 2019 [Epub ahead of print 1 October 2019] doi: 10.7326/M19-1621

Ein internationales Forscherteam kommt aufgrund der Auswertung von Meta-Analysen in einer Leitlinie zu der Empfehlung, dass vom Verzehr von rotem Fleisch keine bedeutenden Gesundheitsrisiken ausgehen. Weiterhin heißt es dort, dass derzeit nicht dazu geraten werden kann, den Konsum von rotem Fleisch oder daraus hergestellten Fleischwaren zu reduzieren.
Dies wird durch die Forscher seltsamerweise mit der Begründung unterstrichen, dass laut einer weiteren Untersuchung keine Bereitschaft zur Änderung der Ernährungsgewohnheiten erkennbar sei. Sie stützten sich dabei auf eine Analyse von Claudia Valli aus Barcelona, die sagt, „dass den meisten Menschen das Wissen und die Kochkünste fehlen, eine angemessene Mahlzeit ohne Fleisch zuzubereiten“ [1].
Diese Aussagen und die Leitlinie stießen bei Experten auf Kritik, zumal andere Forscher aufgrund der gleichen Daten zu völlig anderen Ergebnissen kommen. Vor allem wurden die in der Publikation verwendeten GRADE-Kriterien kritisiert, die sich nicht zur Bewertung von Ernährungsstudien eignen.
Dean Ornish, bekannter Forscher, Arzt und Präsident eines Forschungsinstituts für Präventivmedizin in den U.S.A. sagt dazu: „Beim sorgfältigen Lesen dieser Analyse zeigt sich genau das Gegenteil, nämlich dass eine moderate Verringerung des Verzehrs von rotem und verarbeitetem Fleisch zu einer geringeren Rate vorzeitiger Todesfälle um 13%, zu einer Verringerung der Mortalität bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 14%, zu einer Verringerung der Krebssterblichkeit um 11% und zu einer Verringerung der Diabetesrate um 24% führt.“ Mit anderen Worten, es gibt gute Gründe, den Verbrauch von rotem Fleisch und verarbeitetem Fleisch zu reduzieren.
Dean Ornish war übrigens einer der ersten Autoren, der anhand der randomisierten Lifestyle-Heart-Study [2] nachweisen konnte, dass eine fettarme und vegetarische Ernährung (plus Gehen, Meditieren und soziale Unterstützung) das Fortschreiten selbst schwerer koronarer Herzerkrankungen umkehren kann.

GfBK-Kommentar: Wenn die Forscher in ihrer Leitlinie sagen, dass eine geringfügige Zunahme des Fleischkonsums nur eine geringfügige Zunahme des Krankheitsrisikos zur Folge hat, bedeutet das nicht, dass der Verzehr von Fleisch gut ist. Laut der Harvard School of Public Health könnte eine moderate Senkung des Verbrauchs von rotem Fleisch die Sterblichkeit in den USA um 7,6% oder etwa 200.000 Todesfälle pro Jahr senken.
Und so verwundert es nicht, dass angesichts der Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung im Jahr 2015 von rotem Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ und von Wurstwaren als „krebserregend“, die Interpretation dieser Daten die Gemüter erhitzt. Denn selbst wenn Ernährungsstudien als Beobachtungsstudien anfällig für Verzerrungen sind, gibt es inzwischen genügend Studien, die eine verminderte Krebssterblichkeit bei einer Verringerung des Verzehrs von verar­beitetem Fleisch um 3 Portionen pro Woche nachgewiesen haben. Immerhin bedeuten dies auf 1.000 Menschen bezogen 7 weniger Krebstote
[3].
Und auch eine ganz aktuelle Studie aus dem Jahr 2019 mit Daten aus der Nurses' Health Study und der Health Professionals Follow-up Study kommt zu dem Ergebnis: Männer und Frauen, die ihren Verzehr von rotem Fleisch innerhalb von 8 Jahren um 3,5 Mahlzeiten pro Woche steigerten, hatten in den folgenden 8 Jahren ein um 10 Prozent
 höheres Sterberisiko [4].
Auch die sonst sehr zurückhaltende Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät dazu, nicht mehr als 600 Gramm Fleisch und Wurst wöchentlich zu essen. Dass aufgrund der umstrittenen Leitlinie nun viele deutschsprachige Zeitschriften anderes nahelegen, nämlich rotes Fleisch und Wurst einfach weiter zu essen, sehen wir als problematisch und irreführend an.
Wenn man dann auch noch liest: „Erzwungener Verzicht würde das Wohlbefinden stören - und auch das mag ja langfristig der Gesundheit schaden“, kann man eigentlich nur noch kontern „ein bisschen Nachdenken und Reflektieren hat noch nie geschadet“.
Abgesehen von den gesundheitlichen Vorteilen, die einhergehend mit einem gesünderen Lebensstil, eine Reduktion des Fleischkonsums hat, bedeutet es auch Vorteile für das Erdklima, wenn wir unseren Fleischkonsum senken. Denn die Produktion eines Pfunds Protein auf Fleischbasis erfordert 14-mal mehr Ressourcen als ein Protein auf Pflanzenbasis. Außerdem soll das Abbrennen der Amazonaswälder mehr Platz für Weidevieh schaffen. Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass es auch global gesehen Sinn macht, seinen Fleischkonsum zu überdenken.

Literatur:
[1] Valli C, Rabassa M, Johnston BC, et al, for the NutriRECS Working Group. Health-Related Values and Preferences Regarding Meat Consumption: A Mixed-Methods Systematic Review. Ann Intern Med. 2019; [Epub ahead of print 1 October 2019]. doi: 10.7326/M19-1326

[2]  Ornish D, Brown SE, Scherwitz LW, Billings JH, Armstrong WT, Ports TA, McLanahan SM, Kirkeeide RL, Brand RJ, Gould KL. Can lifestyle changes reverse coronary heart disease? The Lifestyle Heart Trial. Lancet 1990; 336(8708): 129-33

[3] Han MA, Zeraatkar D, Guyatt GH, et al. Reduction of Red and Processed Meat Intake and Cancer Mortality and Incidence: A Systematic Review and Meta-analysis of Cohort Studies. Ann Intern Med 2019 [Epub ahead of print 1 October 2019] doi: 10.7326/M19-0699

[4] Zheng Yan, Li Yanping, Satija Ambika, Pan An, Sotos-Prieto Mercedes, Rimm Eric et al. Association of changes in red meat consumption with total and cause specific mortality among US women and men: two prospective cohort studies BMJ 2019; 365 :l2110


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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