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Heilsame Berührung

Wie war es in den vergangenen Monaten um die alltäglichen Berührungen, um Händedruck und Umarmungen bestellt? Vielen fehlt die tägliche Tuchfühlung mit ihren Mitmenschen. Und besonders chronisch kranke oder pflegebedürftige Personen wissen Berührungen und Körperkontakt, auch professionelle körperorientierte Anwendungen wie Massagen zu schätzen.

©iStock, 1373233799, skynesher

Mit diesem Schwerpunkt gehen wir der Frage nach, wie Berührung zur Heilung beiträgt.

Was Patientinnen und Patienten erleben

Im Behandlungsalltag von erkrankten Personen, insbesondere von Krebskranken, kommt es zu zahlreichen Berührungen, oft durch Fremde in eher unangenehmen Situationen. Oft ist auch noch die Berührung selbst unangenehm oder schmerzhaft. Aus dem privaten Umfeld wird berichtet, dass erkrankte Familienmitglieder sich zurückziehen. Einerseits weil sie Energie, Aufmerksamkeit und Zeit für sich, für ihre Therapie und Gesundung brauchen, andererseits wollen sie oft die anderen nicht mehr als „sowieso schon“ belasten. Nebeneffekt ist dann, dass auch die kleinen liebevollen Berührungen, Streicheleinheiten oder Zärtlichkeiten ausfallen. Eine Patientin berichtet über ihre Massage: „So viele Ärzte und medizinisches Pflegepersonal haben mich in den letzten Monaten bei Untersuchungen und Therapien angefasst, aber eine achtsame Berührung hat eine ganz andere Qualität, weil sie darauf ausgerichtet ist, dass es mir im Moment gut gehen darf.“ In ihrem Patientinnenbericht schreibt Gabriele Ruys, selbst von Brustkrebs betroffen, wie beglückend sie die Massagen ihrer Kolleginnen besonders nach der Operation, in der Zeit der körperlichen Stärkung nach der Therapie, empfunden hat. Und nicht nur die Massagen, die sie empfangen hat, sondern auch die, die sie geben konnte, waren bereichernde Erlebnisse in ihren Monaten als Patientin. Schauen wir genauer auf die Wirkung von Berührungen in unserem Körper.

Berührungen im Alltag

Berührung ist auch dann wirksam und heilsam, wenn keine therapeutische Massage oder professionelle Behandlung in Sicht ist. Das einfache Handhalten, in ruhigen oder aufregenden Situationen, ein Streicheln über den Kopf, oder auch das Halten des Kopfes, die Hand auf die Schulter legen oder auf den Arm – all diese Gesten des körperlichen Kontakts können im Alltag vorkommen. Ob sie vorkommen, oder ob sie fehlen, das hängt von den einzelnen Menschen in einer Situation ab. Zum Beispiel: Die Zahnarzthelferin, die bei meiner langwierigen Behandlung assistiert, fängt plötzlich an, auf meinen Arm zu klopfen … sie hat wohl gemerkt, wie sich meine Schultern während der Behandlung zusammengezogen haben, und hat mir dann beruhigende Signale gegeben. Ich bin nicht erholt und geschmeidig aus dem Stuhl aufgestanden, doch ich hätte auch noch viel verspannter und erholungsbedürftiger aus der Praxis gehen können. Eigentlich sollte ich sie ermutigen, so etwas öfter zu machen, denn tatsächlich: es entspannt mich und bestimmt auch die, die nach mir kommen.
Bei einer unangenehmen Untersuchung einfach jemanden im Raum zu bitten, meine Hand zu halten, das fällt mir nur ein, wenn ich wirklich Angst habe – und den Mut habe, zu ihr zu stehen. Wenn dann aber jemand meine Hand hält, lindert es meine Angst, mein Stresslevel sinkt. Es sinkt nicht gleich auf Null, aber wer die Anspannung und das Angsterleben kennt, weiß, dass die Linderung auf jeden Fall wünschenswert ist. Sogar beim Handhalten mit Gummi-Handschuh.

Berührung – ein psychoaktiver Prozess mit Heilungspotenzial

Verschiedene Wissenschaften haben Erkenntnisse gesammelt, die zeigen, dass das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit sich durch körperlichen Kontakt und Berührung ausdrückt. Berührung kann Isolation beenden oder unterbrechen, Vertrauen schaffen. Psychoneurologisch betrachtet lösen Berührungen Aktivitäten von Nerven und Hormone aus, die von Kopf bis Fuß durch unseren Körper laufen. Diese Aktivitäten beeinflussen unser Körpergefühl im Hier und Jetzt: Sie können zum Absinken von Schmerzerleben und Ängstlichkeit führen, und sie beeinflussen unser Wohlgefühl, in dem sie die Produktion der Glückshormone ankurbeln. Neben der klassischen Massage, die in der Physiotherapie verankert ist, gibt es vielfältige sanfte Methoden, die sich die komplexe Physiologie der Berührung und ihre positiven Wirkungen zu eigen machen. Einige beziehen auch Druckpunkte und Energiebahnen, die uns vor allem aus der asiatischen Medizin bekannt sind, in ihre Abläufe ein. Die Reflexzonen-Massage an Händen und Füßen arbeitet auf der Grundlage dieser Energiebahnen. Das Handauflegen, die Therapeutische Berührung, ist eine weitere Form der Anwendung, die dem energetischen Heilen zugerechnet wird.

Aus der aktuellen momentum-gesund leben bei Krebs

Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen war als Professor für Psychopharmakologie jahrzehntelang an der FU Berlin unter anderem in der Depressionsforschung tätig und hat unter anderem die Wirkmechanismen heilsamer Berührungen erforscht. In unserer aktuellen momentum-Ausgabe stellt er gemeinsam mit der Körpertherapeutin Gabriele Mariell Kiebgis international gesammelte Forschungsergebnisse und eigene Praxiserfahrungen vor: sie belegen, inwiefern Krebspatientinnen und -patienten von klassischen und Psychoaktiven Massagen, von Reflexzonenbehandlungen oder von Therapeutischer Berührung profitieren können.
Frank Boaz Leder und Kali Sylvia von Kalckreuth berichten über den von ihnen entwickelten Behandlungsansatz TouchLife®, bei dem die achtsame Berührung im Mittelpunkt steht.
Beide Artikel beschreiben aus Sicht von Therapeutinnen und Therapeuten, wie die körperorientierten Anwendungen bei von Krebs Betroffenen und bei schwer kranken Personen wirksam sind. In ihrem Patientinnenbericht beschreibt Gabriele Ruys aus Sicht der Betroffenen über ihr Leben als TouchLife®-Praktikerin.
Zum Artikel Wie kann professionelle heilsame Berührung Menschen mit einer Krebserkrankung helfen? von Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghaus und Gabriele Mariell Kiebgis
Zum Artikel TouchLife® – Das Leben berühren von Frank Boaz Leder und Kali Sylvia von Kalckreuth
Zum Patientinnenbericht von Gabriele Ruys „Glückskrebs“

Überlegen Sie sich, wo und wann achtsame Berührungen in Ihrem Alltag vorkommen könnten. Im vertrauten Umfeld, unter Freunden, in der Familie, ist es nicht unbedingt einfacher. Aber im Freibad cremen wir uns auch gegenseitig den Rücken ein, lässt sich daran anknüpfen? Vielleicht kennen Sie jemanden, der sich darüber freuen würde, dass Sie seine Hände einreiben, dabei sanft oder auch fester streicht und massiert.
Wenn Sie jetzt aber merken, dass Sie sich freuen würden, wenn …, dann überlegen Sie doch, wen Sie als nächstes um eine achtsame Berührung bitten können. Und: Berührung ist keine Einbahnstraße, auch die andere Person wird eine Berührung spüren. Nur Mut!


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