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© Inge Arnold-Pilz

Mein Weg ist ein Weg zur Selbsthilfe

Inge Arnold-Pilz in Signal 3/2012

Schon lange war mir klar, dass mein Leben nicht so weitergehen konnte. Zwei Jahre wollte ich noch durchhalten, wollte ich unsere Familie noch zusammenhalten. Dann hätte auch unser jüngster Sohn sein Abitur. Der Ältere studierte bereits und wohnte noch zu Hause. Dies war meine Lebenssituation im Jahr 2006. Doch es sollte anders kommen. Als mir der Arzt sagte, dass der Knoten in meiner Brust bösartig sei, war ich skeptisch: „Muss man das denn unbedingt operieren? Woher wissen Sie, dass es sich wirklich um einen bösartigen Tumor handelt?” Der Mann im weißen Kittel schien sich fast gekränkt zu fühlen ob meiner Zweifel.

Das Untersuchungsergebnis der Stanzbiopsie bestätigte die Meinung des Mediziners. Ich erhielt einen Operationstermin für die folgende Woche. Nun musste ich meinen Mann und meine beiden Söhne informieren. Die Reaktionen waren unterschiedlich: Schweigen, Nicht-wahrhaben-Wollen und auch die Frage „Was passiert jetzt, was bedeutet das?”.

Im März 2006 hatte ich eine neue Arbeitsstelle in Teilzeit angetreten, die bis zum Ende des Jahres befristet war. Nun war Ende Mai; ich war noch in der Probezeit. Doch ich war optimistisch. Für einige Tage müsste ich ins Krankenhaus und nach anderthalb Wochen wäre ich wieder einsatzbereit – dachte ich. Die Operation verlief ohne Probleme. Die Heilung der Operationswunde ebenso. Ich hielt mich häufig im Park des Krankenhauses auf und war zuversichtlich. Die Besuche von Freundinnen und Freunden taten mir gut. Mein Mann besuchte mich auch, aber wir hatten uns damals nicht viel zu sagen.

Einigung wider Willen

Bedrückt und niedergeschlagen war ich erst, als mir der Arzt mitteilte, dass eine Chemotherapie nötig wäre. Das Gespräch mit dem Spezialisten gab mir das Gefühl, keine Wahl zu haben. Mit Widerwillen unterschrieb ich die Einwilligungserklärung. Mein Arbeitgeber fragte mich, ob ich nach der Chemotherapie wieder zur Arbeit käme. Ich sagte ja. Die Unterstützung durch meinen Freundeskreis wurde für mich jetzt sehr wichtig. Mein eigener Glaube sowie Telefonate und persönliche Gespräche gaben mir immer wieder Kraft und stärkten meine Zuversicht. In den ersten Wochen der Chemotherapie war ich sehr müde, hatte keinen Appetit und wurde schwächer. Die Hausarbeit war mir zu anstrengend. Meine Kleinfamilie war mit dieser Situation überfordert. Und ich auch. Ich hielt es nicht mehr aus und begann, eine eigene Wohnung zu suchen. In einer Nacht zwischen 4 und 5 Uhr eskalierte die Situation. Mein Herz raste, mein Kreislauf brach zusammen. Ich bat meinen Mann, mich ins Krankenhaus zu bringen. Eine Infusion stabilisierte mich. Ich kam wieder zur Ruhe. Als ich mich nach einigen Tagen etwas erholt hatte, ließ ich mich von meinem Vater abholen. Ich wohnte nun vorübergehend wieder in meinem Elternhaus. Mein Vater und meine Mutter versorgten mich in den ersten Tagen nach den Chemotherapien. Zu meinem Mann und meinen Söhnen konnte und wollte ich nicht mehr zurück. Vorwürfe machte ich weder meinem Mann noch meinen beiden Söhnen. Es war mir bewusst, dass auch ich einen Teil dazu beigetragen hatte, dass die Familie nicht mehr „funktionierte“.

Suche nach Alternativen

Bei der medizinischen Versorgung suchte ich ebenfalls nach Alternativen. Das Krankenhaus betrat ich nur noch zur Chemotherapie. Ansonsten vertraute ich auf meinen Hausarzt. Als ich einen Hinweis auf die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr erhielt, nahm ich Kontakt auf. Die Gespräche mit einem freundlichen Arzt, der sich offensichtlich Zeit für mich nahm, vermittelte mir ein sehr gutes Gefühl. Ich erhielt in kürzester Zeit Informationsmaterial und hilfreiche Tipps, um die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu reduzieren. Auch meine Wohnungssuche war erfolgreich. Eine Freundin berichtete mir von einer Wohnung, die in Kürze frei würde. Es passte alles. Ich unterschrieb den Mietvertrag. Meine Großfamilie und mein Freundeskreis halfen mir beim Umzug. Inzwischen hatte ich gelernt, Hilfe anzunehmen. Der erste Morgen in der neuen Wohnung ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Ich fühlte mich in den eigenen vier Wänden wie befreit. Jetzt hatte ich es geschafft – kein Computer, kein Fernseher, nur Ruhe! Ich war voller Dankbarkeit! Vor mir lagen jedoch noch zwölf Wochen chemotherapeutische Behandlung (alle drei Wochen). Meine Eltern hatten schon Übung mit Diät, Tee und Wärmflasche. Mein Vater begleitete mich auf Spaziergängen und Wanderungen. Wann immer es möglich war, genoss ich meine eigene Wohnung. Nach Ende der Chemotherapie Mitte November wollte ich schnellstmöglich mit einer Anschlussheilbehandlung beginnen. Mein Arbeitsvertrag lief zum Jahresende aus. Einer Verlängerung hatte ich zugestimmt.

Reha mit kostbaren Impulsen

Ende November erhielt ich einen Platz in einer Reha-Klinik. Mein größtes Problem war die Fatigue. Ich war nicht mehr der Mensch, der ich vor der Chemotherapie war. Das Aufstehen am Morgen machte Probleme und auch tagsüber überfiel mich immer wieder bleierne Schwere, plötzlich und unberechenbar. Ich hatte Gelenkschmerzen, dicke Unterschenkel und Füße, litt unter Konditions- und Konzentrationsschwäche und unter Schlafstörungen. Das Gefühl in Zehen und Fingerspitzen sowie das Geschmacksempfinden waren ebenfalls gestört. Dass ich vorübergehend keine Haare mehr hatte, fand ich nicht so schlimm. An mein „Ersatzteil” hatte ich mich schnell gewöhnt. Während der Reha ging ich viel spazieren, begann zu joggen (beginnend mit 10 Metern!) und lernte einige Tai-Chi-Übungen von einem Physiotherapeuten. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von Guo-Lin-Qigong, einer Variante von Qigong, die gegen Tumor-Erkrankungen entwickelt wurde. Einige Tage später fand ich im Wartebereich des Arztzimmers eine Ausgabe des Mitteilungsblatts »Impulse« der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr. Darin wurde Guo-Lin-Qigong beschrieben. Spontan erwachte in mir das Bedürfnis, mehr zu erfahren. Am 20. Dezember – ich befand mich immer noch in der Reha-Klinik – fand ich einen Brief in meinem Postfach. Absender war die Personalabteilung meines Arbeitgebers. Mein Arbeitsvertrag war verlängert worden – ein Weihnachtsgeschenk für mich. Den Heiligen Abend verbrachte ich gemeinsam mit meinem Mann und meinen Söhnen. Unser Verhältnis hatte sich entspannt. Der Arbeitsbeginn am Jahresanfang fiel mir schwer – trotz der „stufenweisen Wiedereingliederung“. Mit Mühe bewältigte ich meinen Alltag. Das Kochen reduzierte ich auf das Allernötigste: Die Fatigue schränkte mich sehr ein. Noch nach Wochen forderte meine Arbeit mich so sehr, dass sie meine Kräfte zu übersteigen drohte Wie Guo-Lin-Qigong mir half Eine „Reha-Kollegin“ machte mich auf einen Workshop für Guo-Lin-Qigong ganz in meiner Nähe aufmerksam. Voraussetzung für die Teilnahme war die Kenntnis einer Gehübung (Basisübung). Ich lernte die Übung, wiederholte sie täglich und merkte schnell: Es ging mir besser! Beim Workshop baute ich meine Kenntnisse aus. Doch ich hatte Schwierigkeiten, mir die Abläufe zu merken und hatte Probleme mit der Koordination. Auch bei der Konzentration stieß ich an meine Grenzen. Die Gehübung integrierte ich nun in meinen Tagesablauf. Im Garten, im Wald und bei der Arbeit in der Mittagspause auf einem ruhigen Kinderspielplatz fand ich die nötige Muße. An manchen Tagen war ich zu müde zum Üben, aber das akzeptierte ich. Nach und nach besserte sich meine gesundheitliche Situation. Die Füße wurden nicht mehr dick, die Gelenkprobleme und auch die nächtliche Unruhe verschwanden. Die Fatigue war noch da, aber sie nahm allmählich ab, sodass ich meine Übungszeiten steigern konnte. Die Zeit, die ich dafür aufwendete, wurde durch die Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Alltag und die höhere Lebensqualität bei Weitem aufgewogen. Ich wollte mehr über Guo-Lin-Qigong erfahren. So entschloss ich mich zu einer Ausbildung zur Lehrerin für Guo-Lin-Qigong. An meinen freien Wochenenden genieße ich es, die meditativen Bewegungen im Wald zu üben. Das Grün, die saubere Luft und die Ruhe dort haben für mich heilende Wirkung. Inzwischen unterrichte ich seit zwei Jahren. Meinem wachsenden SchülerInnen-Kreis gebe ich das, was ich gelernt habe und lerne, weiter. So kann ich die Wege, die bei mir zur Verbesserung der Lebensqualität geführt haben und weiterhin führen, anderen vermitteln.

Änderung zum Besseren

Ich habe eine neue Arbeitsstelle gefunden. Es ist eine Beschäftigung mit weniger Verantwortung und geringerem Verdienst als zuvor, aber ich spüre und genieße die Entlastung! Nun habe ich mehr Zeit für mich und für Guo-Lin-Qigong. Das Verhältnis zu meinem Mann ist heute geprägt von gegenseitiger Achtung, Vertrauen und Hilfsbereitschaft. Bevor ich begann, diesen Bericht zu schreiben, fragte ich ihn, ob er meine Meinung teile, und freute mich über seine Bestätigung. Rückschauend erkennen wir beide die Krankheit als Weg.

Text: Inge Arnold-Pilz

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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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