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© Beatrix Rose

Guten Morgen, liebes Leben!

Beatrix Rose in Signal 2/2013

Meine Geschichte beginnt da, wo alles für mich anfängt: Beim Essen. Ich habe nicht Bio, sondern billig eingekauft. Immer mehr Gift und Hormone in meinen starken, guten Körper hineingepumpt. Der Organismus kann zwar viel verkraften, wenn er gesund und stark ist, aber alles hat seine Grenzen. Und dann war da auch noch die Raucherei: 40 Zigaretten am Tag. Auch das war Gift für meinen Leib. Mein normaler Tagesablauf sah so aus: morgens aufstehen, vier Espresso trinken, ab an den PC, bis zum Mittag arbeiten, schnell was aus der Tiefkühltruhe auftauen, weiterarbeiten, in Hetze zu meinem Pferd, zurück, weiterarbeiten bis abends um sieben.

Völlig erschlafft fiel ich dann zusammen, nahm mein Abendessen auf der Couch beim Fernsehen ein. TV "zum Entspannen" bis Mitternacht, danach ins Bett. Samstag und Sonntag liefen genauso ab. Schließlich war ich ja selbstständig. Irgendwann machte mich dieses selbstauferlegte Pensum so fertig, dass ich dringend Urlaub brauchte. Mein Mann meinte, 14 Tage seien genug. Es gab einleuchtende Gründe, seinem Vorschlag zu folgen, auch wenn ich fühlte, dass mir das nicht reichen würde. Ich habe mein Herz und meine Gefühle ausgeschaltet, dafür den Verstand ein.

Was habe ich mir da angetan?

Es gab viele Dinge, die mich dazu brachten, mich immer weiter zu verhärten. Dieses aufs Äußerste gespannte Leben, der herzlose Umgang mit mir selbst. Hatte ich zwischenmenschliche Konflikte, ging ich sie ausschließlich vom Verstand her an. Meine Gefühle wurden weggeschlossen. Das konnte ich gut. Dann starb meine Hündin. Ich ging durch den dunklen Tunnel der Tränen bis ich mir sagte: "Mein anderer Hund braucht mich auch noch. Die Zeit der Trauer muss jetzt einfach rum sein." Ich perfektionierte das Wegschließen der Gefühle. Irgendwann funktionierte ich nur noch. War ich mit Freunden zusammen, konnte ich mit ihnen nicht mehr von Herzen lachen und spürte keine Fröhlichkeit mehr. Außer ganz selten mal einen Anflug von Wut spürte ich nichts. Und auch die Wut wurde nicht herausgelassen, sondern fein säuberlich bekämpft – mit dem Verstand. Zwei Jahre vor der Diagnose hatte ich dann immer wieder den Gedanken: "So kann das Leben nicht weitergehen. Ich muss etwas ändern. "Doch nur, wenn der Leidensdruck zu stark wird, ändern Menschen wirklich etwas. So bin auch ich. Dann kam das unter den Brustkrebspatientinnen berühmt-berüchtigte Duscherlebnis: "Hilfe: Da ist etwas in meiner Brust!" Ganz tief in mir wusste ich nach dem ersten Fühlen genau: Das ist Krebs.

Die Diagnose: Brustkrebs

Mein Genesungsweg war ein krasses Auf und Ab. Nicht mit sachten wonnigen Hügelchen und kleinen Dörfern etwas weiter unten. Sondern höchste glückselige Berge und tiefste dunkle Täler. Dieser Kampf erforderte so viel Kraft, wie ich noch nie in meinem Leben für eine Sache aufgewendet hatte. Aber er hat sich gelohnt. Heute kann ich sagen: Diese Krankheit war ein Geschenk! Mich hat die Krankheit befreit. Endlich habe ich damit angefangen, auf mich selber Rücksicht zu nehmen, in mich hineinzulauschen und zu erforschen, was ich eigentlich will in meinem Leben. Und was ich nicht will. Ganz wichtig war am Anfang zu begreifen, dass ich zuallererst einmal tätig werden musste! Ich habe mich genau und ausführlich informiert: über die Krankheit und über mögliche Therapien. Ich las Bücher, erkundigte mich bei öffentlichen Einrichtungen, im Internet, bei verschiedenen Ärzten und in einer Selbsthilfegruppe. Dafür habe ich mir so viel Zeit genommen, wie ich brauchte. Ein schon im Vorfeld gebuchter Urlaub, den ich dann trotz der Diagnose angetreten habe, half mir dabei. Ich hatte jede Menge Bücher im Gepäck über Krebs, Sterben, Leben, Buddhismus und Wunderheilungen sowie über alternative Heilmethoden. Mit der Therapie erst zu beginnen, nachdem ich mich wirklich gut informiert fühlte, war für mich wesentlich. Mein Tumor war aggressiv (G3), nicht scharf umgrenzt und schon größer als zwei Zentimeter. Das sah nicht gut aus. Immerhin waren die Lymphknoten nicht vergrößert und es gab auch keine Metastasen. Der Plan war, nach acht Chemotherapien eine brusterhaltende Operation mit anschließender Bestrahlung und Antihormonbehandlung durchzuführen. Nach drei Wochen wusste ich genau, was ich will, wie ich es will und von wem. Und auch von wem nicht. Ich wusste, welche guten alternativen Therapeuten (ein Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin und ein Psychologe) mir noch fehlten und hatte Ideen, wie ich sie finden konnte. Ich war gut informiert über gesunde Ernährung, und
ich habe das Rauchen aufgehört. Mein Gott, war das leicht! Vor allen Dingen war ich total positiv eingestellt. In mir war Klarheit: "Ich will leben und werde leben. Es wird schwer - aber ich werde es schaffen! "

Mündige Patienten leben länger

Ich lernte, keine (!!!) gute und angepasste Patientin zu sein, nahm mir meine Fragen als Liste mit in die Sprechstunde und hakte Punkt für Punkt erst dann ab, wenn ich sie wirklich für geklärt hielt. "Die Lieblinge der Station" haben schlechtere Heilungschancen – so eine Statistik. Ich setzte mich für meine ureigensten Interessen mit Nachdruck ein, wenn mir beispielsweise erst nach fünf Tagen ein Gespräch mit dem Arzt angeboten wurde, und ließ mich auch im Wartezimmer nicht mehr stillschweigend übergehen. Das alles waren Übungen in Selbstfürsorge. Ich horchte in mich hinein, ob es mir gut ging, und wenn das nicht so war, sorgte ich dafür, dass das schnellstmöglich wieder der Fall war. Mir war bewusst, dass sonst der Stress mein Immunsystem belasten würde. Und das konnte ich mir nicht erlauben. Eine mündige Patientin zu sein, die sich nichts Unrechtes oder Unsinniges gefallen lässt, heißt nicht, dass man generell herumzickt. Zu Ärzten, die ihren Job gut machen und mir gut taten, hatte ich Vertrauen und unterstützte sie nach Kräften. Mein Freundeskreis hat sich mit der Diagnose Krebs gelichtet, sortiert und gewandelt. Ich erhielt sogar Hilfe von Seiten, von denen ich es nicht erwartet hätte, ich war überrascht. Meine Freunde und mein Mann bildeten für mich so etwas wie ein watteweiches Auffangnetz. Diese soziale Einbindung und auch meine Zielsetzung, die Krankheit als Chance für mich zu nutzen, haben mich wieder gesund werden lassen – mit den allerbesten Prognosen, die ein Krebskranker haben kann. Als der Tumor herausoperiert wurde, war er mausetot. Keine einzige Krebszelle hatte die Chemotherapie überlebt, so der Pathologe. So etwas passiert bei 40 Prozent der Frauen. Ich bin felsenfest davon überzeugt: Ich gehörte dazu, weil ich daran glaubte. Ich hatte mich bewusst für diese Therapie entschieden (schulmedizinisch), der ich von Kindheit an gelernt hatte zu vertrauen. Ich wusste: Wenn mich derzeit etwas heilen kann, dann mein Glaube an diese Medizin.

Ergänzende Therapien

Neben den schulmedizinischen Therapien habe ich einige komplementäre Verfahren für mich genutzt. Beispielsweise arbeitete ich mit Affirmationen.
"Ich will gesund werden und ich werde wieder gesund! " Diesen Satz sagte ich mir jeden Tag immer wieder. Während der Strahlentherapie half mir die Affirmation: "Hex,hex, hex - hex den Krebs weg. Für immer und ewig. " Die Bestrahlung dauerte ca. fünf bis zehn Minuten und ich sagte es mir immer und immer wieder, während das Gerät vor sich hin brummte. Ich suchte nach alternativen Heilmethoden, um die Nebenwirkungen von Chemo und Bestrahlung zu lindern. Unter den vielen Angeboten fand ich das, was für mich am besten passte, und sprach die ergänzenden Maßnahmen stets mit meinem behandelnden Onkologen ab. Aus der Traditionellen Chinesischen Medizin halfen mir Akupunktur, verschiedene Kräutermischungen und das QiGong. Nach der Hälfte der Chemo-Behandlungen zog ich einen klassischen Homöopathen zurate. Diese konstitutionelle
Therapie hat sehr zu meiner seelischen Entwicklung beigetragen. Als das Zytostatikum gewechselt wurde, nützte mir die Ayurvedische Medizin mit wohltuenden Massagen. Ein speziell für mich ausgewähltes Öl hat mir Kraft und Vitalität zurückgegeben.

Gesunde Abgrenzung als Überlebens-Strategie

Wer ernsthaft krank wird, bekommt viele Tipps. Ich habe sie mit dem Verstand und mit meinem Herzen geprüft und nur das umgesetzt, was für mich richtig war. Die Erfahrungen von Freunden oder Mitpatienten lassen sich nicht 1:1 auf andere Menschen übertragen. Der eine schwört auf dies, dem anderen hilft jenes. Das muss jeder für sich selbst herausfinden und selbst entscheiden. Der Weg durch die Krebserkrankung hat in meinem Leben vieles ganz wesentlich verändert. Ich habe gelernt, rigoros zu sein. Wenn gut meinende Ratgeber mir Hoffnung nahmen, habe ich sie deutlich gebeten, das zu stoppen und ihnen erklärt, warum mir das schadet. Ließen sie sich nicht bremsen, legte ich den Kontakt auf Eis. In dieser Situation kann man es sich einfach nicht leisten, sich krankreden zu lassen. Jeder Funken Glaube wird gebraucht, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Heute kann ich diesen Umstand als einmalige Chance begreifen, mein Umfeld regelrecht auszumisten und von Personen zu befreien, die mir einfach nicht gut tun. Viel später, als der Krebs im Auflösungsprozess war, begrüßte ich den neuen Morgen – räkelnd vor Wonne im Bett – mit dem Satz "Guten Morgen liebes Leben, guten Morgen neuer Tag. " So grüße ich den neuen Morgen bis heute jeden Tag. Gerne teile ich meine Erfahrungen mit anderen Betroffenen. Vielleicht finde ich sogar einen Verlag, der meinen ausführlichen Erfahrungsbericht als Buch verlegt. Ich freue mich, dass ich lebe. Jeden Morgen aufs Neue. Und ich freue mich auf das Leben, das mal traurig, mal schön, mal leidvoll, aber immer randvoll mit Leben ist.

Text: Beatrix Rose

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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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