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© Arno Ferchow

Wer hat die Stinkbombe geworfen?

Arno Ferchow in momentum 1/2018

Bauchspeicheldrüsenkrebs mit 58, Operationen, Bestrahlungen, Chemotherapien. Fünf Jahre nach der Diagnose gehört Arno Ferchow zu den 5% der Menschen, die bei dieser Art von Tumor noch leben. Hier beschreibt er seinen Umgang mit der Krankheit. Mein Sportlehrerkollege aus der Nachbarhalle kam aufgeregt rüber und beschwerte sich: „Wer hat die Stinkbombe geworfen?” Meine eigenen Schüler hielten sich die Nasen zu.

Ich aber war die Ursache. Meine Blähungen hatten solch unvorstellbare Dimensionen. Es war mir außerordentlich peinlich. Genau wie ich oft plötzlich aus dem Unterricht rennen musste, da ich meinen flüssigen Stuhlgang kaum halten konnte.

Die Diagnose

Seit etwa zwei Jahren war ich wegen dieser Probleme in ärztlicher Behandlung. Die Blutwerte waren in Ordnung, die Tumormarker normal. Der Gastroenterologe, bei dem ich alle sechs Wochen aufkreuzte, gab mir jedes Mal mit auf den Weg: „Sie sind doch kerngesund, Sie haben nichts.” Aber so konnte es einfach nicht mehr weitergehen. Ich kümmerte mich dann selbst um weitere Diagnostik.

Anfang August 2012 hatte ich einen Termin an der Uniklinik in Ulm. Eine ausgiebige Untersuchung mit allen gängigen bildgebenden Verfahren brachte die Gewissheit: „Am Pankreaskopf (Bauchspeicheldrüse) ist etwas, das dort nicht hingehört.” Nur eine Operation würde Klarheit bringen. Auf der Rückfahrt redeten meine Frau und ich wenig. Noch während der Fahrt klingelte das Handy. Die Sekretärin des Arztes, der mich kurz zuvor beraten hatte, rief mich an: „Ich hatte das Gleiche wie Sie.” „Wieso, was habe ich denn?”, „Na, Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ich habe mich am Europäischen Pankreaszentrum in Heidelberg operieren lassen. Lassen Sie es dort machen. Ich war sehr zufrieden.” Da war es raus. Die spinnen doch alle, ich und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Die erste Operation

Am 23. August 2012 wurde ich in Heidelberg zwecks Diagnose operiert: Eine vollständige Entfernung des Pankreaskopfkarzinoms war momentan unmöglich, da Tumorgewebe bereits weitgehend in benachbartes Gewebe infiltriert war. Nun sollte in den nächsten drei Monaten eine tägliche, kombinierte Strahlen- und Chemotherapie erfolgen, um den Tumor zurückzudrängen. Dann sollte ein erneuter Operationsversuch gestartet werden.

Ruhepause. Es folgten die wahrscheinlich intensivsten und bewusstesten drei Monate meines Lebens. Meine Frau Gaby schlug vor, eine Ferienwohnung in Heidelberg zu mieten. Wir mussten uns erst selbst über unsere Situation ein klares Bild machen, bisher war alles nur diffus. Ruhe war nötig. Zu Hause an unserem Wohnort hätten wir wahrscheinlich zu wenig Muße, da gut gemeinte Besuche von Verwandten und Freunden in dieser emotionalen Phase zu aufwühlend gewesen wären. Außerdem wäre die tägliche Hin- und Herfahrt zu aufwendig geworden. Intensive Gespräche mit Gaby und mit meinen erwachsenen Kindern Lena und Julian erleichterten uns diese schwierige Zeitspanne. Auch die vielen Zuschriften und die Anteilnahme an meinem Schicksal durch Verwandte, Freunde, Bekannte und Kollegen bauten mich auf. Ich entschloss mich schnell, zumindest diese drei Monate sinnvoll zu nutzen. Der große Vorteil war ja, dass ich nicht arbeiten konnte und musste und auch von sonstigen alltäglichen Aktivitäten weitgehend befreit war.

Informationssammlung. Zunächst galt es zu eruieren, was ich zusätzlich zu den schulmedizinischen Maßnahmen tun könnte. Die Schwierigkeit war, die Vielzahl von Informationen zu filtern und die für mich geeigneten herauszufinden. Durch den Arzt eines Freundes kam ich zur Adresse des Vereins „Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V.” in Heidelberg. Nach einem langen und sehr informativen Telefongespräch mit einem äußerst kompetenten Arzt des Vereins bekam ich eine Liste mit Präparaten, die die Bewältigung der Nebenwirkungen der Strahlen- und Chemotherapie erleichtern sollten. Zusätzlich gab er mir wichtige Literaturhinweise.

Tatsächlich überstand ich die schulmedizinische Therapie ohne größere Probleme. Auch das Angebot der Universitätsklinik Heidelberg „Sport und Krebs“, das tägliches Krafttraining in einer Gruppe beinhaltete, trug zu meinem Wohlbefinden bei.

Literatur. Das Lesen der Literaturempfehlungen war äußerst fruchtbar. So konnte ich unter anderem die Kommentare, die die vielen jungen Assistenzärzte der Uniklinik bei den Kontrollgesprächen mir gegenüber abgaben (z. B.: „Sie wissen, dass Pankreaskrebs nur 5% der Erkrankten überleben”, „solch eine Strahlentherapie, wie sie bei Ihnen durchgeführt wird, führt bei maximal 3% der Behandelten zu einer Tumorrückbildung”, „seien Sie froh, dass Sie von Prof. XY operiert werden, wenn’s einer schafft, dann der”, „ich war mal bei einer OP von Prof. XY dabei, wirklich ein Harakirityp”) besser in meinen speziell für mich geplanten Maßnahmenkatalog einordnen.

Ich las das Buch des auch an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten Arztes Eberhard Rau „Krebs! Was nun Ebo?” und war fasziniert, was dieser alles ausprobierte. Auch der Bestseller des amerikanischen Mediziners Carl Simonton „Wieder gesund werden” gab mir wichtige Impulse.

Was ich tun konnte. Ich habe mir daraufhin – meiner Meinung nach – realistische Ziele für drei Monate, für ein halbes Jahr und für ein Jahr erstellt. Zudem notierte ich fünf Stressfaktoren der letzten 18 Monate. Um die Krebszellen zu visualisieren – eine auch von Simonton empfohlene Methode – und so aus meinem Körper zu bringen, habe ich drei Sitzungen bei einer Heilerin in Heidelberg genommen. Sie hat mit mir Bilder und Fantasiereisen im Umgang mit den Tumorzellen entwickelt.

”Zur Unterstützung der Therapie informierte ich mich und stellte Maßnahmen zusammen, die ich selbst umsetzen konnte.”

Die zweite Operation

Nach den drei Monaten galt es, eine Entscheidung zu treffen. Operation und Inkaufnahme einer verminderten Lebensqualität oder Weiterleben ohne Operation, in der Hoffnung auf eine sehr langsame Verschlechterung. In Absprache mit meiner Familie entschied ich mich für die Operation.

Diese erfolgte am 5. Dezember 2012. Würde sich der Tumor zurückgebildet haben? Welche Organteile würden gegebenenfalls aus meinem Körper entfernt werden? Wie würde sich mein Leben dann gestalten? Würde ich diese große Operation überhaupt überleben?

In die Operation ging ich relativ ruhig. Ich hatte resümiert, bisher ein angenehmes und ausgefülltes Leben mit einer tollen Familie gehabt zu haben. Mit Gaby, Lena und Julian hatte ich auch geklärt, dass sie mich loslassen könnten und mit ihrer Trauer um mich fertig werden würden, falls ich sterben würde.

Nach der Operation. Im Aufwachraum sprach mich zuerst ein Assistenzarzt an: Der Operateur, Chefarzt Prof. XY, hätte nach Begutachtung der Tumorsituation ein bedenkliches Gesicht gemacht, da sich der Tumor nicht weit genug zurückgebildet hätte. „Wie alt ist der Patient“, habe er gefragt. Als die Antwort „58 Jahre” war, entschied er: „Dann operieren wir, trotz des Risikos.” So sei ich nun befreit vom Tumor, habe aber keine Bauchspeicheldrüse, keine Gallenblase, keinen Zwölffingerdarm, keine Milz und kein großes Netz mehr. Zudem würden mir zwei Drittel des Magens und der Magenpförtner fehlen. Auch ein Drittel des Dünndarms wurde entfernt. Zudem sei während der zehnstündigen Operation ein Darminfarkt aufgetreten, wodurch die Hälfte des Dickdarms entfernt werden und zur Entlastung ein künstlicher Ausgang angelegt werden musste.

Die Wochen nach der Operation waren trotz Einsatz von modernster Schmerztherapie die größte Belastung meines bisherigen Lebens. Aber die Pflegeorganisation und die Kompetenz der Pflegekräfte an der Heidelberger Uniklinik waren optimal. Ich lernte mit den starken Schmerzen, mit dem Diabetes, mit dem künstlichen Darmausgang und mit oft wiederkehrenden schmerzhaften Dumpingsituationen und Darmstillständen umzugehen.

Zu Hause: kreative Wege

Kurz vor Weihnachten 2012 brachte mich meine Frau mit zweifelhaften Gefühlen nach Hause. Würde sie es schaffen, den vor nicht einmal drei Wochen Operierten entsprechend versorgen zu können? Sie hat es geschafft. Danke und meinen größten Respekt vor dieser Leistung.

Ich meinerseits nahm mir vor, Methoden und Wege zu finden, um möglichst schnell wieder selbstständig zu werden. Auch wollte ich wieder Freude am Leben und mit den Mitmenschen haben. Dazu entwickelte ich eigene Ideen und holte bei Fachleuten und Freunden Rat ein.

Spaziergänge. Nachdem ich wieder zu Hause war, kam ein gewaltiger Besucherstrom auf mich zu. Ich erkannte schnell, dass ich diesen kanalisieren und sinnvoll gestalten musste. Jeden Besucher ließ ich mit mir ein paar Schritte an der frischen Luft absolvieren, denn das Spazierengehen tat mir einfach gut. Die ersten Besucher gingen mit mir ums Haus. Täglich wurden die Wege länger. Die Bewegung, die frische Winterluft, der aufrechte Gang und das Reden förderten mein Wohlbefinden rasch.

Kochen. Um meine Frau Gaby zu entlasten, lernte ich kochen. Die Gelegenheit war günstig, Zeit hatte ich ja. Zudem musste ich herausfinden, welche Nahrungsmittel mir gut taten und wie diese zubereitet werden müssten. Auch sollte ich an Gewicht zunehmen (ich wog ca. 15 Kilo weniger als vor der Erkrankung). Das stellte sich als nicht ganz einfach heraus, denn mein Körper konnte aufgrund der vielfältigen Organentnahmen wichtige Enzyme für die Verstoffwechselung der Nahrung nicht mehr bereitstellen. Auch fehlten Teile von Dünn- und Dickdarm. Ferner mussten die Wirkung von Kohlehydraten und Fetten auf die Blutzuckerwerte bestimmt und das entsprechende Spritzen von Insulin erlernt werden. Ein paar Kochstunden bei Schwägerin Anneliese halfen beim Einstieg in die Kochkunst. Seitdem ist das Kochen eine wesentliche Bereicherung meines Lebens.

Wichtig empfand ich in dieser Phase die vielen Wanderungen, Reisen und der Besuch von künstlerischen Veranstaltungen mit meiner Frau und manchmal mit den Kindern und deren Partnern.
Für meine eigenen hochbetagten Eltern, die aufgrund ihres Auszugs aus ihrem Haus auch in eine neue Lebenssituation gerieten, konnte ich eine große Hilfe sein.

Unterstützung

Auch viele Fachleute unterstützen mich in meinem neuen Lebensabschnitt. Ein Freund, der Allgemeinarzt ist, besuchte mich in den Wochen nach der großen Operation, wann immer ich ihn brauchte, und gab mir wertvolle Tipps und Anregungen.

Applied Kinesiology. Ein anderer Allgemeinarzt, der naturkundlich arbeitet und der mir seinerzeit die Adresse des Heidelberger Vereins „Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V.“ gegeben hatte, optimierte die komplementäronkologische Therapie über die regelmäßige Untersuchung mit Applied Kinesiology als bioenergetisches Testverfahren und versorgte mich nach dem Testergebnis und ergänzenden Blutuntersuchungen mit sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und Entgiftungsmitteln. Für die psychoemotionale Betreuung war und ist er sehr wertvoll für mich.

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Um Kollegen zu ermutigen, solche „schwer gebeutelten” Patienten wie mich zu beraten, hatte er meinen Fall auf einem Ärztekongress ausführlich präsentiert. Da er auch TCM-Mediziner ist, vermittelte er eine Reha-Maßnahme in der TCM-Klinik „Silima” im oberbayerischen Riedering. Die Behandlungen dort brachten mir gewaltige Verbesserungen meiner Lebensqualität. Dort gelang mir der Einstieg in die chinesische Entspannungs- und Meditationsform „Qi Gong”. Glücklicherweise fand ich auch an meinem Heimatort eine tolle Lehrerin, die mir diesbezüglich weitere Impulse gibt.

Leider hat die geplante operative Rückverlegung des künstlichen Ausgangs nicht geklappt. Zwei Operationsversuche mussten abgebrochen werden, da die durch die Chemo- und Strahlentherapien entstandenen Verklebungen und Verwachsungen es unmöglich machten, den Dünndarm an den verbliebenen Dickdarm anzuschließen. Dieser Rückschlag ist für mich nach wie vor schwer zu akzeptieren.

Rückkehr in den Beruf. Das größte Geschenk war aber für mich, nach zwei Jahren im Krankenstand wieder in meinen Beruf zurückzukehren. Der Unterricht bereitete mir einerseits große Freude, war aber auch anstrengend. Nach zwei letzten, erfüllten Berufsjahren bin ich nun im Ruhestand und genieße eine neue Freiheit.

”Das Ziel, wieder in meinem Beruf als Lehrer zu arbeiten, verlor ich nie aus den Augen.”

Glück und Gnade

Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich bisher offensichtlich aufgrund Gottes Gnade oder einfach wegen großen Glücks auf der entsprechenden Seite der Überlebensstatistik stehe. Wichtig war aber sicher auch, zu versuchen, die bestehenden Chancen zu nützen.

Mein altes Leben habe ich durch die Krankheit nicht verlassen, ich bin aber auch nicht total in dieses zurückgekehrt. Ich habe wohlüberlegt schrittweise Veränderungen vorgenommen. Insgesamt lebe ich intensiver, neue Erkenntnisse und zwischenmenschliche Erfahrungen bereichern mein Leben. Nach wie vor betreibe ich weiterhin gerne Sport, allerdings nicht mehr im Fitness- oder Leistungsbereich. Es reicht mir, meine Aktivitäten im Gesundheitsbereich auszuleben, ohne eine Sauerstoffschuld einzugehen. So sind beispielsweise Bergtouren mit vier bis fünf Stunden Wanderzeit für mich gut durchführbar. Mit meinen Behinderungen kann ich gut leben.

So verrückt es klingt: An Lebensenergie und -qualität habe ich eindeutig dazugewonnen.

Weitere Informationen

Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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