Hemmung der Sialinsäure-Biosynthese durch GLIS: Neuer therapeutischer Ansatz zur Tumortherapie

Antragsteller:

Prof. Dr. med. Werner Reutter, Centrum für Diagnostische präventive Labormedizin (CC 05), Charité-Universitätsmedizin Berlin

Titel:

Hemmung der Sialinsäure-Biosynthese durch GLIS: Neuer therapeutischer Ansatz zur Tumortherapie

Inhalt:

Einführung

Jede Zelle ist von einer Zuckerschicht umgeben, der Glykokalix. Sialinsäuren sind entscheidende Monosaccharid-Strukturen. Sie erfüllen dort wichtige Funktionen, besonders:
• Strukturerhaltung und biologische Stabilität von Membranproteinen
• Schutz vor dem Eindringen von Fremdsubstanzen
• Rezeptorfunktion für Mediatoren (Hormone, Wachstumsfaktoren)
• Interaktionsvermittler mit Nachbarzellen (Adhäsion)
• Antigenität und Histokompatibilität
In den meisten Tumorzellen ist die Konzentration an Protein-gebundener Sialinsäure, die sich wie eine Schutzschicht oder Tarnkappe um sie zieht, erhöht. Dadurch entziehen sie sich der natürlichen Abwehr, dem Erkanntwerden durch Zellen des Immunsystems. Die Suche nach einem wirkungsvollen Inhibitor ist daher das Ziel dieser Arbeit, eine Substanz aus dem Bereich der TCM zu finden, welche die Biosynthese der Sialinsäure zu hemmen vermag. Die Basis für die Inhibitorsuche soll in Substanzen von Pilzen der TCM sein. Es ist in einem früheren von der Biologischen Krebsabwehr geförderten Projekt gelungen, aus dem Pilz Ganoderma lucidum Triterpenoide, besonders GLIS, als Wirksubstanz zu isolieren, welche Zellen des Immunsystems stimuliert. Zunächst soll GLIS auf die mögliche inhibitorische Eigenschaft geprüft werden. Sie soll am Schlüsselenzym der Sialinsäure-biosynthese erprobt werden, der GNE/MNK (=UDP-N-Acetylglucosamin-2-epimerase/N-Acetyl-mannosaminkinase). Die Reinigung dieses Schlüsselenzyms der Sialinsäure-Biosynthese, sowie dessen biochemische und molekularbiologische Charakterisierung gelangen in dieser Arbeitsgruppe. In den vorhandenen, etablierten Testsystemen kann nun GLIS auf seine mögliche Hemmaktivität dieses entscheidenden Enzyms geprüft werden.

Methoden

Aufreinigung und Qualitätskontrolle von GLIS
GLIS wurde nach der Methode von Zhang et al. (2002) aufgereinigt. Die Reinheit und Qualität der isolierten Fraktionen wurde mit Hilfe von HPLC kontrolliert. Die Carbohydrat-Konzentration von GLIS wurde mit der Phenol-Schwefelsäure-Reaktion bestimmt. Die Peptid- und Proteinkonzentration wurde mit UV-Messung bei 280nm und Bicinchoninic Acid Assay (BCA) bestimmt. Das molare Verhältnis der Monosaccharide wurde nach Hydrolyse mit Trifluoressigsäure (TFA) mit Anion-austauch-Chromatographie bestimmt.
Expression und Aufreinigung der N-Acetylmannosaminkinase (MNK)
Die Expression und Aufreinigung der MNK erfolgt nach dem Protokol von Martinez und Nguyen (2012). Die humane His-MNK wurde in BL21 E.coli exprimiert und mit Ni-NTA-Chromatographie aufgereinigt. Anschließend wurde durch Gelfiltration Chromatographie reines MNK isoliert.
MNK Aktivitätsassay
Die Kinaseaktivät wird gekoppelt mit der Oxidation von NADH bestimmt.
In einem 200 µl Reaktionsvolume wurde 80 µl MNK Probe zu einem 120 µl Reaktionsmix, bestehend aus 68 µl Kinasepuffer (200 mM Tris.HCl, 65 mM MgCl2, pH 8.1), 20 µl ATP (100 mM), 10 µl ManNAc (100 µM), 10 µl PEP (10 mM), 10 µl NADH (15 mM) and 2 µl PK/LH mix (2 U) hinzugefügt. Die Probe wurde dann für 30 min bei 37°C inkubiert und anschließend mit 800 µl EDTA (10 mM) versehen, was die Reaktion stoppt. Die Extinktion von NADH wurde dann bei 340 nm gemessen.
TCM Datenbank Screening
Insgesamt sind 6595 Substanzen in der ZINC Datenbank (Zugang 27.11.2012) als „traditional chinese medicine“(TCM) deklariert. Diese wurden anhand folgender Punkte gefiltert: MW < 250 Da, mindestens ein Ring, maximale Anzahl rotierbarer Bindungen 12, maximale Anzahl an Einzelbindungen 6, nicht als „reaktiv“ markiert anhand MOE interner chemoinformatischer Deskriptoren, clogP < 6 und weniger als zwei Verstöße gegen die Auswahlregeln nach Lipinski (Lipinski et al., 2001). Die daraus resultierenden 2375 Substanzen wurden anhand von zwei Docking Protokollen in der Software MOE (Chemical Computing Group 2010) in die Position des ManNAc gedockt. Im ersten Ansatz wurden strukturellen Wasser entfernt, während im zweiten Ansatz wichtige Wassermoleküle in das Docking mit einbezogen wurden. Von den resultierenden Docking-Posen wurden je ca. 300 visuell inspiziert und bewertet nach Docking-Scoring, hoher Ligandeneffizienz und LiPE (Hopkins et al., 2004). Des Weiteren wurden potenzielle Binder danach ausgewählt, dass möglich unterschiedliche Bindungshypothesen abgedeckt werden konnten.

Ergebnisse

Abbildung 1: Unterschiedliche GLIS-Franktionen wurden bei einer finalen Konzentration von 500µg/ml auf Ihrer inhibitorischen Wirkung auf die MNK untersucht.
Die biochemischen Ergebnisse zeigen keine Inhibition, eher eine Stimulation der MNK-Aktivität durch GLIS-Fraktionen. Mit diesen Ergebnissen waren Experimente in Tumorzellen nicht sinnvoll. Aus diesem Grund wurde die Suche nach potenten Inhibitoren der MNK ausgeweitet. Nach dem ersten virtuellen Screening für Inhibitoren der MNK mit Substanzen aus der TCM-Datenbank wurden 40 potentielle Inhibitoren entdeckt. Daraus konnten 4 Substanzen kommerziell erworben und getestet werden. Leider waren von den 4 Substanzen keine Substanz dabei, die die MNK in vitro signifikant inhibieren konnte.

Diskussion

Ganoderma lucidum ist ein Heilpilz, dem Wirkungen wie die Stimmulation des Immunsystems und des Stoffwechsels durch wissenschaftliche Arbeiten nachgewiesen wurden (Paterson 2006). Die Triterpenoide-reiche Fraktion, GLIS, die eine Aktivierung von B-Lymphozyten verursacht, hat jedoch keine signifikante Wirkung auf die Inhibtion der MNK und die de-novo-Biosynthese von Sialinsäuren.

Literatur

Zhang J, Tang Q, Zimmerman-Kordmann M, Reutter W, Fan H (2002). Activation of B lymphocytes by GLIS, a bioactive proteoglycan from Ganoderma lucidum. Life Sci. 71,6, 623-38.

Martinez J, Nguyen LD, Hinderlich S, Zimmer R, Tauberger E, Reutter W, Saenger W, Fan H, Moniot S (2012). Crystal structures of N-acetylmannosamine kinase provide insights into enzyme activity and inhibition. J Biol Chem. 287, 17, 13656-65

Hopkins AL, Groom CR, and Alex A (2004). Ligand efficiency: a useful metric for lead selection. Drug Discov Today 9, 430-431.

Lipinski CA, Lombardo F, Dominy BW, and Feeney PJ (2001). Experimental and computational approaches to estimate solubility and permeability in drug discovery and development settings. Adv Drug Deliv Rev 46, 3-26.

Paterson RRM (2006). Ganoderma — A Therapeutic Fungal Biofactory. ChemInform, 37