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Darmkrebs: Wem nützt die Chemotherapie?

07. November 2018

Ich habe Darmkrebs im Stadium II und soll eine Chemotherapie bekommen. Was raten Sie mir?

Bisher wird bei bestimmten Patient*innen mit kolorektalen Karzinomen (Darmkrebs) im Stadium II (pT4, G3, Gefäßinvasion, Operation unter Notfallbedingungen und/oder <10 untersuchte Lymphknoten) eine adjuvante Chemotherapie nach der Operation empfohlen. Eine niederländische Studie zeigte allerdings, dass dieses Vorgehen nur bei T4-Tumoren mit einem längerem Überleben assoziiert war (Verhoeff SR / Int J Cancer 2016).
In die Studie aufgenommen wurden 4.940 Patient*innen aus dem niederländischen Krebsregister mit einem Kolonkarzinom im Stadium II, die zwischen 2008 und 2012 die Diagnose erhielten und operiert worden waren. 16% dieser Gruppe erhielten eine Chemotherapie gleich nach der Operation. Das durchschnittliche Alter der Patient*innen betrug 73 Jahre.
Die Sterbewahrscheinlichkeit konnte nur bei Patient*innen mit einem pT4-Tumor oder mindestens zwei Risikofaktoren durch die Chemotherapie reduziert werden. Das Drei-Jahres-Gesamtüberleben betrug bei einem pT4-Tumor 91% mit Chemotherapie gegenüber 73% ohne Chemotherapie. Eine weitere Unterteilung der Untergruppe mit mindestens zwei Risikofaktoren ergab, dass die adjuvante Chemo nur bei Patient*innen mit pT4-Tumor zu einem verlängertem Gesamtüberleben führte, nicht aber bei mindestens zwei Risikofaktoren und einem Nicht-pT4-Tumor.
Diese Studie dokumentiert, dass in der inhomogenen Therapie der Kolonkarzinome im Stadium II weniger Therapie bei bestimmten Patientenuntergruppen besser ist. Wenn, wie in dieser Studie aufgezeigt, nur die Patient*innen mit pT4-Tumoren von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren, sollte besonders im Stadium II bei Kolonkarzinomen kritisch hinterfragt werden, ob dies wirklich im Einzelfall zutrifft, bevor eine solche Behandlung begonnen wird.
Außerdem ist eine kürzere Therapiedauer in der Diskussion, vor allem bei Patient*innen im Stadium III, die eine adjuvante Chemotherapie erhalten. Eigens für diese Frage hat sich die IDEA-Gruppe „International Duration Evaluation in Adjuvant Chemotherapy” gebildet. Das Gremium hat die derzeit übliche sechsmonatige adjuvante Chemotherapie mit FOLFOX oder CAPOX mit einer dreimonatigen Chemotherapie mit den gleichen Substanzen verglichen. Die Ergebnisse dieser Studie mit über 12.000 Patienten (Axel Grothey A / N Engl J Med 2018) sind aufschlussreich: Die krankheitsfreie Überlebensrate nach drei Jahren betrug nach der dreimonatigen adjuvanten Chemotherapie 74,6% und nach der sechsmonatigen adjuvanten Chemotherapie 75,5%. In den weiter fortgeschrittenen Stadien T4 und/oder N2 lag die Drei-Jahres-Rate des krankheitsfreien Überlebens nach der sechsmonatigen adjuvanten Chemotherapie bei 64,4% und nach der dreimonatigen adjuvanten Chemotherapie bei 62,7%. Allerdings müssen die geringen Vorteile der längeren Chemotherapie mit den Nebenwirkungen in Beziehung gesetzt werden, die bei einer dreimonatigen Chemotherapie natürlich deutlich weniger waren. Insofern lautet unser Fazit: Sie profitieren statistisch gesehen nur dann von einer längeren Chemotherapie, wenn Sie ein Kolonkarzinom im Stadium II und gleichzeitigen pT4-Tumoren haben. Doch selbst dann könnte eine dreimonatige Gabe anstelle einer sechsmonatigen Chemotherapie die bessere Wahl sein, insbesondere wenn Sie sehr geschwächt sind und viele Begleiterkrankungen haben. Besprechen Sie das individuelle Vorgehen bitte mit Ihren behandelnden Ärzt*innen.
Übrigens, auch andere Studien sind eher enttäuschend hinsichtlich des Langzeitüberlebens nach einer Chemotherapie. Zehn-Jahres-Daten bei fortgeschrittenem Rektumkarzinom zeigen an 1.011 Patient*innen mit resezierbarem Rektumkarzinom im Stadium T3 oder T4, dass das Gesamtüberleben bei 49,4% in der Gruppe ohne und bei 50,7% in der mit präoperativer Chemotherapie lag; nach zusätzlicher adjuvanter Chemotherapie waren es 51,8%, ohne adjuvante Chemotherapie waren es 48,4% (Bosset JF / Lancet Oncol 2014). Lokalrezidive traten unter Chemotherapie etwas seltener auf, Fernmetastasen traten gleich häufig auf.
Fazit der Autoren dieser Studie: Eine adjuvante Chemotherapie nach präoperativer Radiotherapie (mit oder ohne Chemotherapie) beeinflusst krankheitsfreies und Gesamtüberleben nicht. Somit sollte das Vorgehen, eine adjuvante Chemotherapie im Anschluss an eine präoperative Radio(chemo)therapie zu geben, prinzipiell überdacht werden.


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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