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Vitamin D und Prostata

08. Mai 2019

Ich habe gelesen, dass Vitamin D bei Prostatakrebs negative Wirkungen haben kann. Stimmt das?

Ein entsprechender Mechanismus trat zwar im Laborexperiment auf. Wie so oft ist es aber wichtig, zwischen Reagenzglas und klinischer Realität zu unterscheiden: Im menschlichen Organismus ist der Effekt nicht als relevant einzustufen, sodass die Gabe von Vitamin D für Männer mit Krebs der Vorsteherdrüse durchaus nützlich ist.
Schauen wir uns Studien mit Menschen an. Eine Fallkontrollstudie mit 749 Patienten aus den USA ließ vermuten, dass zu hohe Blutspiegel möglicherweise ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringen. (Ahn et al. 2008). Allerdings wurde in dieser Untersuchung nur ein einziger Vitamin-D-Serum-Wert pro Person ermittelt. Vitamin D ist sonnenabhängig und unterliegt daher starken saisonalen Schwankungen. Die Studie kann aus diesem Grund nicht als wirklich aussagefähig bewertet werden.

Demgegenüber steht eine Studie mit 54 Patienten und neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Prostatakrebs. Sie ging der Frage nach, ob der Vitamin-D-Serumspiegel Einfluss auf die Überlebensrate der Patienten hat (Vashi et al. 2013). Dazu wurde vor der Behandlung der Vitamin-D-Spiegel als 25(OH)Vitamin-D im Serum bestimmt. Als Mangelzustand waren Werte von ≤ 32 ng/ml bzw. 80 nmol/l definiert. Der mittlere 25(OH)Vitamin-D-Serumwert lag bei 30,1 ng/ml, wobei 38 Patienten (70,4 %) einen Mangel aufwiesen. Die Patienten mit Vitamin-D-Mangel hatten ein signifikant größeres Mortalitätsrisiko (mittlere Überlebensrate: 32,6 Monate) als Patienten mit ausreichend hohen Vitamin-D-Serumspiegeln (mittlere Überlebensrate: 62,4 Monate).
Dass die Überlebenszeit allein aufgrund des Vitamin-D-Serummarkers fast doppelt so lang ist, erscheint beachtlich. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Männer mit normalen Vitamin-D-Werten vermutlich eine insgesamt gesündere Lebensweise an den Tag legen und sich häufiger im Freien aufhalten.
Untersuchungen an 622 Prostatakrebspatienten im Vergleich mit gesunden Personen zeigen hingegen, dass nicht nur zu niedrige (≤ 19 nmol/l), sondern auch zu hohe (≥ 80 nmol/l) Vitamin-D-Spiegel das Prostatakrebsrisiko erhöhen können (Tuohimaa et al. 2004).

Eine wertvolle Hypothese zur Erklärung der unterschiedlichen Studienergebnisse zu Vitamin D stellt Reinhold Vieth (2004 und 2009) auf. Er meint, dass es vielmehr auf die jährliche Schwankung des individuellen Spiegels ankommt als auf dessen absolute Höhe. Viele Organe, darunter Nieren, Pankreas und Prostata, besitzen Enzyme, die zur Umwandlung von Calcidiol in biologisch wirksames Calcitriol dienen. Sinkt der Serum-Calcidiol-Wert, dann müssen die Enzyme entsprechend reguliert werden, sodass die Calcitriol-Synthese steigt, bis der Ausgangslevel wieder erreicht wird. Die Niere als endokrines (hormonproduzierendes) Organ passt ihre Enzymtätigkeit durch verschiedene Regulationsmechanismen recht schnell an. Dadurch ist der Zeitraum, in dem zu wenig aktives Calcitriol produziert wird, nur relativ kurz.
Die Studienergebnisse zu Vitamin D müssten entsprechend der Hypothese von Vieth mit Blick auf die jeweiligen Breitengrade beurteilt werden. Nahe am Äquator ist die UV-Strahlung, die für die Bildung von Vitamin D geeignet ist, vergleichsweise geringen Schwankungen unterworfen. In nördlicheren Gegenden, z.B. in Norwegen, Finnland und Schweden, aber auch in Deutschland, sind diese Schwankungen hingegen deutlich größer. Personen, die hier leben, haben nur in den Sommermonaten relativ hohe Vitamin-D-Spiegel. Sie verfügen daher über das Jahr gesehen vermutlich über die weiteste Spanne an Calcidiol-Werten. Menschen mit dauerhaft niedrigen Calcidiol-Spiegeln weisen hingegen geringere Bandbreiten der Messwerte auf. Das könnte erklären, warum in manchen Studien hohe Calcidiol-Serumwerte mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko assoziiert sind: Durch die hohen Schwankungen im Jahresverlauf kann in der dunklen Jahreszeit kein ausreichender Spiegel an aktivem Calcitriol im Prostatagewebe erreicht werden (Vieth 2009).

Es erscheint also durchaus sinnvoll, seinen Vitamin-D-Spiegel über das Jahr hinweg zu beobachten. Wird ein Mangel festgestellt und schwanken die Werte stark, empfehlen wir, Vitamin D zu substituieren, bis ein Serumspiegel zwischen 75 nmol/l und maximal 150 nmol/l (Holick 2007) erreicht ist. Werte unter 19 nmol/l sollten auf jeden Fall vermieden werden.
Trotz dieser Erklärungen ist bei fortgeschrittenem Prostatakrebs eine ungünstige Wirkung von Vitamin D vorstellbar, und zwar wenn ein mutierter Androgenrezeptor nicht nur Androgene, sondern auch andere Steroide wie Vitamin D „verwerten“ kann. Falls der PSA-Wert in die Höhe schnellt, während man Vitamin D einnimmt und dadurch hohe Serumwerte erreicht, ist es besser, einen moderaten OH-25-Wert von 50–80 nmol/l anzusteuern.
Beachten Sie bitte auch die Maßeinheiten. Wird in ng/ml gemessen, liegen die Normwerte deutlich niedriger.

Weitere Informationen erhalten Sie auch in der GfBK-Info Vitamin D.


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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