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Weniger Tamoxifen als Prophylaxe bei Brustkrebsvorstufen?

30. März 2021

Decensi A, Puntoni M, Guerrieri-Gonzaga A et al. Randomized Placebo Controlled Trial of Low-Dose Tamoxifen to Prevent Local and Contralateral Recurrence in Breast Intraepithelial Neoplasia. J Clin Oncol 2019; 37(19): 1629-1637. doi:10.1200/JCO.18.01779

Ein duktales (DCIS) oder lobuläres „Carcinoma-in-situ“ (LCIS) oder eine atypische duktale Hyperplasie (ADH) erhöhen das Risiko für ein invasives Mammakarzinom. Da diese Neoplasien meistens östrogenabhängig wachsen, empfehlen viele Therapeuten die adjuvante Gabe von Tamoxifen. Demgegenüber stehen potenzielle Nebenwirkungen, wie zum Beispiel das erhöhte Risiko für ein Endometriumkarzinom oder ein erhöhtes Thromboserisiko.
In der europäischen Phase-III-Studie „TAM01“ wurde die übliche Dosierung von 20 mg/Tag Tamoxifen auf 5 mg/Tag reduziert. Dabei erhielten 500 Patientinnen mit DCIS, LCIS oder ADH postoperativ und – falls indiziert – nach zusätzlicher Bestrahlung randomisiert 5 mg/Tag Tamoxifen oder ein Placebo über insgesamt drei Jahre.
Nach einem medianen Follow-up von 5,1 Jahren reduzierte niedrig dosiertes Tamoxifen mit 5 mg/Tag das relative Risiko für ein Lokalrezidiv oder eine Neuerkrankung im Vergleich zu Placebo um die Hälfte (5,5 vs. 11,3%). Die Autoren sprechen davon, dass dieser Effekt einer vergleichbaren Risikoreduktion ähnlich dem Effekt mit 20 mg Tamoxifen entspräche.
Die Rate an schweren Nebenwirkungen war hingegen nicht erhöht und im historischen Vergleich etwa um den Faktor 2,5 niedriger als mit 20 mg/Tag Tamoxifen. Im Tamoxifen-Arm entwickelte eine Patientin ein Endometriumkarzinom, während im Placebo-Arm keine solche Erkrankung auftrat. Bei den Thromboembolien gab es in beiden Gruppen keine Unterschiede: Im Tamoxifen-Arm trat eine venöse Thromboembolie, und im Placebo-Arm trat eine Lungenembolie auf. Bei klimakterischen Beschwerden zeigten sich ebenfalls keine Unterschiede.

GfBK-Kommentar: Die aktuelle Studie zeigt, dass niedrig-dosiertes Tamoxifen mit 5 mg genauso in der Lage ist, das Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms oder Rezidivs bei Frauen mit duktalem bzw. lobulärem „Carcinoma-in-situ“ oder atypischer duktaler Hyperplasie zu verringern wie normal dosiertes Tamoxifen mit 20 mg pro Tag, und das bei geringeren Nebenwirkungen.
Andere Ergebnisse der Forschergruppe um Andrea Decensi kamen übrigens bereits 2003 zu der Erkenntnis, dass Tamoxifen auch in niedrigen Dosierungen eine antiproliferative Wirkung aufweist [1].
Insofern hoffen nicht nur die Autoren, sondern auch wir, dass diese Erkenntnisse bald in der Praxis umgesetzt werden. Problematisch ist allerdings, dass Tamoxifen nur in 10 mg-Tabletten erhältlich ist, wohingegen die Autoren der Studie argumentieren, dass, wenn die Tabletten nicht halbiert werden können, 10 mg jeden zweiten Tag genauso effektiv in der Verhinderung von Rezidiven wie 5 mg täglich ist.
Der nächste Schritt wird hoffentlich sein, Tamoxifen in zwei unterschiedlichen Dosierungen zu vergleichen und dies auch bei Frauen mit invasivem Mammakarzinom und nicht nur bei DCIS zu prüfen.
Alle anderen Frauen, bei denen ein DCIS oder LCIS diagnostiziert wurde und die sich für eine Behandlung mit Tamoxifen entscheiden, sollten ihren Arzt nach dieser Studie fragen und abklären, ob eine niedrige Tamoxifen-Dosis möglich wäre.
Bei DCIS oder LCIS sind wir allerdings der Meinung, dass die Empfehlung zu Tamoxifen generell hinterfragt werden kann. Denn diese Brustkrebsvorstufe ist auch ohne invasive Therapiemethoden heilbar, da keine Tumorzellen aus dem Milchgang in das umliegende Gewebe eingewandert sind. Das Wichtigste ist daher eine ausreichende Entfernung im Gesunden.
Da sich das Rückfallrisiko ohne Bestrahlung nach 25 Jahren verdoppelt, wird seit einigen Jahren eine Strahlentherapie empfohlen. Der Nutzen einer Antihormontherapie, aber auch der Strahlentherapie ist jedoch unter Schulmedizinern umstritten.
So waren sich die Experten auf der 16. Internationalen St.-Gallen-Konsensus-Konferenz 2019 einig, dass Patientinnen mit einem kleinen DCIS eine günstigere Prognose haben und eine weniger intensive Behandlung benötigen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Patientin älter als 50 Jahre alt ist und das DCIS günstige Tumoreigenschaften aufweist.
Ist dies der Fall und konnte ein freier Schnittrand (≥ 5mm) eingehalten werden, kann laut Meinung der Experten (Votum 84,4%) auf eine adjuvante Bestrahlung des DCIS verzichtet werden. Die Frage, ob auf eine adjuvante endokrine Behandlung verzichtet werden kann, bejahte hingegen nur eine knappe Mehrheit der Experten für alle DCIS-Patientinnen. Immerhin: Bei günstigen prognostischen Faktoren würden 66,7 % der Experten sowohl auf die adjuvante Bestrahlung als auch auf die antihormonelle Therapie verzichten.
Die deutsche Expertengruppe betonte anlässlich dieses Meetings, dass der Einsatz von Tamoxifen bei DCIS eine individuelle Abwägung von Nutzen und Risiko erfordert. Denn bisher ist für das DCIS weder durch die antihormonelle Therapie noch durch die Bestrahlung ein Überlebensvorteil beschrieben worden. Mit Tamoxifen kann man also bei den Brustkrebsvorstufen nicht das Überleben, sondern „nur“ Zweitkarzinome und Lokalrezidive verhindern.
In der UK/ANZ-DCIS-Studie [1] wurden übrigens lokale Rückfälle nicht durch Tamoxifen, sondern nur durch eine Strahlentherapie verhindert: Nach 12,7 Jahren kam es zu einer Reduktion der Rückfallrate von 19,4 % auf 7,1 %. Dies entspricht auch den Ergebnissen einer aktuelleren Studie mit über tausend Frauen nach 10 Jahren: Hier kam es durch die Strahlentherapie zu einer Reduktion der Rückfallrate von 26 % auf 15 %. Außerdem zeigte sich in derselben Studie, dass vor allem Frauen unter 40 Jahren mit mäßig oder schlecht differenziertem DCIS und nicht eindeutig tumorfreien Operationsrändern von einer Strahlentherapie profitierten [3].
Wir halten es daher für sinnvoll, diese Faktoren bei der Therapieentscheidung bezüglich Tamoxifen zu berücksichtigen und bei allen anderen Patientinnen mit DCIS auf Tamoxifen zu verzichten. Wenn dies nicht möglich ist, wäre eine Dosisreduktion auf 5 mg wie oben beschrieben sicherlich die bessere Alternative als 20 mg täglich einzunehmen.
Frauen mit invasivem Brustkrebs und erheblichen Nebenwirkungen unter Tamoxifen empfehlen wir aufgrund dieser Studienergebnisse, in Absprache mit den behandelnden Ärzten die Dosis auf 10 oder 5 mg zu reduzieren und immer auch die individuellen Risikofaktoren mit zu berücksichtigen.

Literatur
[1] Decensi A, Robertson C, Viale G et al. A randomized trial of low-dose tamoxifen on breast cancer proliferation and blood estrogenic biomarkers. J Natl Cancer Inst 2003; 95(11): 779-790. doi:10.1093/jnci/95.11.779
[2] Cuzick J, Sestak I, Pinder SE et al. Effect of tamoxifen and radiotherapy in women with locally excised ductal carcinoma in situ: long-term results from the UK/ANZ DCIS trial. Lancet Oncol 2011; 12(1): 21-29. doi:10.1016/S1470-2045(10)70266-7
[3] Bijker N, Meijnen P, Peterse JL et al. Breast-Conserving Treatment With or Without Radiotherapy in Ductal Carcinoma-In-Situ: Ten-Year Results of European Organisation for Research and Treatment of Cancer Randomized Phase III Trial 10853—A Study by the EORTC Breast Cancer Cooperative Group and EORTC Radiotherapy Group. Journal of Clinical Oncology 2006; 24(21): 3381-3387


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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