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Ballaststoffe: Nahrung für unsere Darmbakterien

03. Dezember 2019

Desai MS, Seekatz AM, Koropatkin NM, Kamada N, Hickey CA, Wolter M, Pudlo NA, Kitamoto S, Terrapon N, Muller A, Young VB, Henrissat B, Wilmes P, Stappenbeck TS, Núñez G, Martens EC. A Dietary Fiber-Deprived Gut Microbiota Degrades the Colonic Mucus Barrier and Enhances Pathogen Susceptibility. Cell 2016; 167(5): 1339-1353. e21. doi: 10.1016/j.cell.2016.10.043

Forscher aus Luxemburg und den USA konnten nachweisen, dass die Grenzschicht aus Schleim im Gastrointestinaltrakt den Organismus vor Eindringlingen schützt und dass die Polysaccharide, aus denen diese Schleimschicht besteht, zum Futter für Darmbakterien werden können, wenn diese nicht genügend andere Nahrung in Form von Ballaststoffen erhalten.
Anhand dieser Studie wurde untersucht, was passiert, wenn weniger der unverdaulichen Ballaststoffe verzehrt werden. Das Versuchsmodell waren dabei die Därme von Labormäusen, die mit einer Mischung aus 14 Darmbakterien, die sonst Menschen in sich tragen, besiedelt wurden. Ein Teil der Tiere musste dabei viele Körner und Pflanzen fressen, so dass ihre Nahrung etwa 15% Ballaststoffe enthielt, während die anderen Tiere weniger Ballaststoffe oder sogar gar keine zu fressen bekamen. Außerdem wurden einige Mäuse mit pathogenen Keimen infiziert.
Das Ergebnis: Die Mäuse, die viele Ballaststoffe gefressen hatten, hatten eine dickere Schleimschicht in ihrem Darm, die Barriere schützte sie auch besser vor Infektionen. Je weniger Ballaststoffe die Tiere fraßen, umso dünner und löchriger wurde die Schutzschicht, und es kam zu teilweise tödlich verlaufenden Infektionen, da nun die pathogenen Keime durch die „Schleimlöcher“ bis an die Darmwand vordringen konnten.

GfBK-Kommentar: Neuere Studien bestätigen, dass durch eine ballaststoffreiche Kost das Sterberisiko gesenkt werden kann [1]. Allerdings hat man bisher den Grund für die positive Wirkung der Ballaststoffe vor allem darin gesehen, dass diese potentielle Karzinogene in der Nahrung binden und über eine beschleu­nig­te Passagezeit die karzinogene Wirkdauer verkürzen können.
Gerade im Hinblick auf die Darmgesundheit ist es spätestens seit den Ergebnissen dieser Studie wichtig, auch an die richtige Nahrungszufuhr für Darmbakterien zu denken, weil sonst die Schleimhaut erodiert, was eine Funktionsstörung der Darmbarriere nach sich zieht. Wird diese Darmbarriere gestört, so bilden sich Lecks und der Darm wird undicht – was im angloamerikanischen Sprachraum schön länger als „leaky gut“ bezeichnet wird. Eine durchlässige Darmbarriere hat zur Folge, dass gefährliche Bakterien, Nahrungsreste oder Giftstoffe durch die Zwischenräume in den menschlichen Blutkreislauf gelangen und Immunreaktionen in Gang setzen können. In der Entstehung von chronischen Entzündungsreaktionen, Allergien, Autoimmunprozessen oder auch Krebserkrankungen werden derartige Schäden an der Darmbarriere als potenzielle Risikofaktoren gesehen.
Darüber hinaus wird durch neue Studien zunehmend deutlich, dass die Zusammensetzung der Darmflora Einfluss auf die Chemotherapie haben kann. Zwei Studien aus dem Jahr 2013 beschrieben im Mausmodell erstmals, dass durch grampositive Bakterien im Darm ausgelöste Immunreaktionen möglicherweise die Effektivität von Chemotherapien mit Cyclophosphamid oder Platinsalzen beeinflussen können
[2][3].
Die aktuellen Ergebnisse werfen damit ein völlig neues Licht auf die Zusammenhänge und auf das immer wichtiger werdende Verdauungsorgan, dessen Hauptaufgabe nicht nur in der Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen liegt, sondern das vor allem Immunantworten vermittelt, und dies mithilfe von allein im menschlichen Dickdarm versammelten 1012 Bakterien aus über 36000 verschiedenen Spezies.
Eric Martens, Professor für Mikrobiologie an der Universität Michigan und einer der Autoren der Studie, sagte dazu sehr treffend: „Was wir aus der Interaktion von Ballaststoffen, Darmbakterien und dem Schutzsystem des Darms lernen, ist: Wenn man die Bakterien nicht füttert, dann fressen sie einen vielleicht.“ Das ist ein guter Anlass, sich und seinen Patienten eine ballaststoffreiche Ernährung zu empfehlen.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass für eine regelrechte Darmfunktion auch ein regelrechter Vitamin-D-Spiegel von Bedeutung ist. Dabei wirkt Vitamin D gleich mehrfach: es verstärkt die Barrierefunktion der Darmwand, weil es für die Ausbildung der Zellverbindungen (tight junctions) zuständig ist. Ferner moduliert Vitamin D die Immunzellen im Darmbereich, worauf die günstige Wirkung von Vitamin D bei entzündlichen Darmerkrankungen beruht
[4]. Und zum dritten beeinflusst Vitamin D die Zusammensetzung der Darmbakterien [5]. Diese rasch zunehmenden Erkenntnisse bezüglich des Zusammenspiels von Vitamin D und Mikrobiom sind ein weiterer Grund, auf einen guten Vitamin D-Spiegel zu achten.

[1] Mayor Susan. Eating more fibre linked to reduced risk of non-communicable diseases and death. BMJ 2019; 364 : l159

[2] Viaud S, Saccheri F, Mignot G, Yamazaki T, Daillère R, Hannani D, Enot DP, Pfirschke C, Engblom C et al. The intestinal microbiota modulates the anticancer immune effects of cyclophosphamide. Science 2013; 342(6161): 971-6

[3] Lida N, Dzutsev A, Stewart CA, Smith L, Bouladoux N, Weingarten RA, Molina DA, Salcedo R, Back T, Cramer S et al. Commensal bacteria control cancer response to therapy by modulating the tumor microenvironment. Science. 2013; 342 (6161): 967-70

[4] Singh P, Kumar M, Al Khodor S. Vitamin D Deficiency in the Gulf Cooperation Council: Exploring the Triad of Genetic Predisposition, the Gut Microbiome and the Immune System. Front Immunol. 2019 May 10;10:1042.

[5] Waterhouse M, Hope B, Krause L, Morrison M, Protani MM, Zakrzewski M, Neale RE. Vitamin D and the gut microbiome: a systematic review of in vivo studies. Eur J Nutr. 2018 [Epub ahead of print]


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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