Skip to main content

Die Macht der Worte: Wie Sprache Gesundheit beeinflusst

Worte erzeugen Wirklichkeit. Mit ihrer Kommunikation können Ärzt*innen Gesundheit negativ beeinflussen oder fördern. Sprache kann zum Therapeutikum werden. Auch Patient*innen selbst beeinflussen mit ihren Worten und Gedanken die Heilung.

©AdobeStock 6578391

„Sie sind austherapiert.“ - „Vor zehn Jahren wären Sie ein hoffnungsloser Fall gewesen.“ – „Für Sie können wir nichts mehr tun.“ Schlechte Nachrichten rufen bei Patient*innen neben den seelischen auch körperliche Reaktionen hervor. Sie können den Gesundheitszustand verschlechtern und zur sich selbsterfüllenden Prognose werden. Das hat die Nocebo-Forschung herausgefunden, die die Wirkung negativer Sätze, Gefühle und Vorstellungen auf Erkrankungen untersucht.

Vielleicht gibt es eines Tages eine wissenschaftliche Untersuchung zur adäquaten Kommunikation des Geschehens um den Corona-Virus in der medizinischen und der nichtmedizinischen Öffentlichkeit, die deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen evaluiert. Seit Monaten erleben wir eine angstfördernde Kommunikation rund um das Thema COVID-19 mit Schreckensmeldungen, drohender „zweiter Welle“ usw. Fühlen Menschen sich längere Zeit unsicher, bedroht, mit dem Gefühl nichts tun zu können, gefährdet das die Gesundheit und schwächt das Immunsystem. Deshalb hat die GfBK in einem Schwerpunktthema Schutzmaßnahmen für Körper und Seele zusammengefasst.

Rationalität versus Emotion

Vielen Ärzt*innen geht es im Gespräch mit Patient*innen um rationale Informationen über die Diagnose und die Planung von Therapien. Doch Krebskranke sind emotional erschüttert, oft in existentieller Sorge. Sie legen jedes Wort der behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf die Waagschale. „Ohne Chemotherapie leben Sie noch zwei Monate, mit noch zehn Monate.“ - „Sie werden nur noch ein halbes Jahr leben.“ Immer wieder berichten uns Patient*innen von solchen negativen Prognosen. Wir halten es für eine Anmaßung, praktisch ein Todesurteil zu sprechen. Denn wir wissen nicht, wie lange selbst schwer erkrankte Patient*innen noch leben.

Auch Patient*innen stellen Ärzt*innen – manchmal drängend – die Frage nach der zu erwartenden Überlebenszeit. Doch die Grundlage von Prognosen sind lediglich statistische Durchschnittswerte. Sie sagen nichts aus über den einzelnen Menschen, seine psychische Situation, seine Ressourcen, sein Umfeld und so weiter. „Akzeptieren Sie die Diagnose, aber nicht die Prognose der Erkrankung“. Wir raten Patient*innen, die Aussage der renommierten Wissenschaftlerin Caryle Hirschberg zu verinnerlichen, die über Spontanheilungen geforscht hat. Aufgabe von Ärzten und Heilpraktikern ist, eine Diagnose verständlich zu erklären, Behandlungsmöglichkeiten und Alternativen aufzeigen und vor allem deutlich machen: „Ich begleite Sie und bin da, egal was kommt.“ Es sollte auch kein Tabu sein zum passenden Zeitpunkt über das Sterben und den Tod zu sprechen.

Prinzip Hoffnung

Vermitteln Ärzt*innen, die Patient*innen zu unterstützen und zu begleiten, können sie Angst nehmen, die Lebensqualität verbessern und die Selbstheilungskräfte stärken. Spontanheilungen bei Krebs sind zwar selten, aber sie kommen vor. Jede einzelne ist ein Beweis für das enorme Heilungspotential in jedem Menschen.

Ein gesundheitsförderndes Denken steht in Verbindung mit Hoffnung: „Ich kann gesund werden." Darin schwingt die Überzeugung, dass Krebskranke gesund werden können, egal wie krank sie sind. Es ist nicht die Überzeugung, dass sie gesund werden. „Die Hoffnung bleibt mein Freund und lässt mich aufrecht stehen“, hat eine Patientin geschrieben. Die Berichte finden Sie hier.

Wirkmittel Kommunikation

Gelungene „Kommunikation kann zu einem komplementären Wirkmittel für die Behandlung werden“, sagt Prof. Dr. Hartmut Schröder von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. Er beruft sich auf Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie. Trauen Ärzt*innen oder Heilpraktiker*innen den Patient*innen die Gesundung und Heilung zu, vermitteln sie Zuversicht und Vertrauen in deren Selbstwirksamkeit. Dabei ist wichtig, dass der Inhalt des Gesprochenen zur nonverbalen Kommunikation passt. Drücken die Stimme, die Mimik oder die Körperhaltung etwas anderes aus als das gesprochene Wort, glauben wir der nonverbalen Botschaft.

Der innere Dialog

Auch die eigenen Gedanken, Sätze und Erwartungen können den Verlauf von Erkrankungen beeinflussen. Selbstvorwürfe wie „Ich bin selbst Schuld“ oder Sätze wie „das schaffe ich nie“ können Nocebo-Effekte hervorrufen. Die persönlich empfundene Wirklichkeit ist für jeden Menschen anders. Wir konstruieren sie quasi selbst. Für eine Patientin bedeutet die Diagnose Krebs das Ende, für eine andere einen bösen Schicksalsschlag, den sie nicht beeinflussen kann, für eine dritte eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. „Im Körper wirkt, wovon der Geist überzeugt ist“, schreibt die amerikanische Ärztin Lissa Rankin.

Die Kraft der Erwartung

Ein Beispiel, wie eine pessimistische Erwartungshaltung körperliche Symptome hervorruft, hat eine finnische Studie der Studienautorin Reetta Sipilä ermittelt. Demnach erhöhen eine hohe psychische Belastung und die Erwartung, nach der OP unter Schmerzen zu leiden, das Risiko für akute Schmerzen nach einer Brustkrebsoperation.

„Das bringt gar nichts. Das hat nur einen Placeboeffekt und keine wissenschaftliche Evidenz“ bewertet eine Ärztin die Berichte der Patientin, wie gut ihr Meditation und Yoga geholfen haben. Der sogenannte Placebo-Effekt, wird in der Schulmedizin öfter abschätzig verwandt. Der Placebo-Forscher Professor Dr. Manfred Schedlowski von der Universitätsklinik Essen schätzt jedoch, dass bis zu 70 Prozent der Wirkung einer „echten“ Therapie auf einem Placebo-Effekt beruhen kann.

Schutzfaktoren für Körper und Seele

Optimismus, Selbstfürsorge, Glaube an die eigenen Fähigkeiten, positive Gefühle wie Begeisterung und Glück sowie Verbundenheit und soziale Beziehungen (s. „Was uns stärkt“): Zahlreiche Schutzfaktoren stützen das Abwehrsystem wie die seelische Widerstandsfähigkeit, geben Kraft in Krisen: Bewährt haben sich zum Beispiel Meditation, Visualisierung, das Wiederholen von positiven Aufträgen und natürlich Spiritualität und Glaube: Die US-Amerikanerin Ivelisse Page bekam als 37-jährige die Diagnose Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium IV mit Metastasen in der Leber. Sie begegnete ihren Ängsten mit ihrem Glauben und Vertrauen auf Gott. „Das Gebet „I will have no fear.“ –„Ich werde und will keine Angst haben.“ – begleitete sie lange Zeit. (s. momentum – gesund leben bei Krebs, Ausgabe 4/2019)

„Sie müssen ….“ Druck und Stress

„Sie müssen sich sofort operieren lassen.“ - „Sie müssen Chemotherapie machen, sonst …“ Müssen macht Druck und Druck erzeugt Stress. Angst, Überforderung und Stress können dem Immunsystem schaden. Neben den Belastungen durch die Krankheit selbst und/oder den medizinischen Therapien wird unnötig Druck aufgebaut und der Organismus negativ belastet. Sind Menschen emotionalen Belastungen ausgesetzt, steigen bestimmte Entzündungsmarker an, wie die Psychoneuroimmunologie erforscht hat. Längerer psychischer Stress kann das Krebswachstum fördern, so Forschungsergebnisse von Professor Dr. Christian Schubert von der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie in Innsbruck. Chronischer Stress geht mit einer geringeren Aktivität der natürlichen Killerzellen einher und führt zu einem schlechteren Immunschutz. Der Psychoneuroimmunologe Schubert sagt: „Bei jeder körperlichen Erkrankung spielt ausnahmslos auch die Psyche eine Rolle.“

„Sie müssen …“ nimmt Patient*innen auch die Selbstbestimmung. Ärzt*innen können aus eigener Erfahrung und/oder aufgrund der wissenschaftlichen Studienlage empfehlen, aber nicht von oben herab die Behandlung verordnen. Patient*innen erfahren Selbstwirksamkeit, wenn sie mitentscheiden über ihren Heilungsweg und eine aktive Rolle einnehmen. Das ist nur möglich im Dialog auf Augenhöhe.

Die Qualität des Zuhörens

Der Medizinethiker Professor Dr. med. Giovanni Maio von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg propagiert eine verständigungsorientierte Medizin. Nur die Fähigkeit des Zuhörens und ein wirkliches Gespräch würden der Unverwechselbarkeit von Menschen gerecht. Dazu gehören Präsenz, Empathie, Mitgefühl und „professionelle Nähe zu Patient*innen“, wie es Professor Hartmut Schröder nennt. Eine wertschätzende Kommunikation zwischen Ärzt*innen und Patient*innen sowie ein achtsamer Umgang mit Worten sind ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Behandlung. Worte sind ein zweischneidiges Schwert: sie können verletzen. Und sie können heilen.


Ihre Spende

Unser Ziel ist es, wertvolles Infomaterial frei verfügbar zu machen, um Wissen und Selbstwirksamkeit zu fördern. Mit Ihrer Spende helfen Sie uns, unabhängig zu bleiben und dieses Material einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Jeder Betrag zählt und trägt dazu bei, unsere Mission zu verwirklichen.

Unterstützen Sie uns noch heute und werden Sie Teil unserer Bemühungen – herzlichen Dank!

©iStock, 1210358928, nortonrsx
©iStock, 1210358928, nortonrsx
GfBK Newsletter

Immer gut informiert

über Aktivitäten, Veranstaltungen und Angebote zu ganzheitlichen Krebstherapien sowie Gesundheitsimpulsen für Ihren Alltag.

Unser Newsletter ist ein kostenfreier Service der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V.