2017 1 mom Fotolia 93741640 XL„Wir können. Ich kann.” So lautet das Motto des Weltkrebstages 2017. Mit der Krankheit Krebs sind Ängste und tiefe Verunsicherungen verbunden. Doch stellen sich alle Krebspatientinnen und Patienten auch die Frage: Was kann ich selbst tun, um wieder gesund zu werden?

Ja, ich kann! Kompetente Patienten gehen ihren Weg

Der äußere Arzt behandelt, der innere Arzt heilt, so könnte man einen Satz von Paracelsus frei übersetzen: „medicus curat, natura sanat”. Die innere Natur des Patienten trägt zur Heilung bei. Der kompetente Patient weiß, dass nicht nur der Arzt, sondern auch er selbst mit seinen Kräften eine natürliche Heilkraft entwickeln kann. Die Entdeckung des inneren Arztes und damit der Zugang zu den inneren Quellen und Heilmöglichkeiten ergänzen und unterstützen das therapeutische Vorgehen.

Befragt nach ihrem Gesundungsweg berichten viele ehemals Erkrankte von einer Krise und einem Wendepunkt. Oft folgten sie anfangs wie im Schock den Therapieangeboten und Behandlungsvorschlägen. Nach und nach erwachte ihr eigener Wille, der sie dahin führte, den Eigensinn und die eigene Autonomie zu stärken. Manche berichten, selbst eingeholte Informationen und der Besuch von Vorträgen und Veranstaltungen hätten sie aufmerksam werden lassen. Andere erzählen, sie hätten gespürt, dass ihnen ein Behandlungsweg deutlicher geholfen hätte als ein anderer. Wieder andere sprechen davon, sie hätten sich trotzig gegen eine Therapieform gewehrt und eine andere für sich gewählt, die sie dann vertrauensvoller verfolgten. Immer wird offenbar, dass das Erleben des eigenen Wollens und das neu oder wiederentdeckte Für-sich-entscheiden-Können ein wichtiger Schritt zur Abgrenzung und Beschreitung des eigenen Weges war.

Idealerweise arbeiten der innere Arzt und der äußeren Arzt eng zusammen. Die individuelle Befähigung zu Selbstwirksamkeit, Motivation und Ressourcennutzung wird also ergänzt durch die passende Therapiemethode. Wie wesentlich dabei eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung ist, betonen fast alle befragten Patienten. Sie haben ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, welcher Arzt sie als eigenen Menschen sieht und ihnen individuell raten kann. Stärkung erfahren Patienten auch durch ihr soziales Umfeld. Liebe Menschen, aber auch Haustiere, vermindern die drohende Gefahr des Rückzugs. Der Erkrankte bleibt in sein Netzwerk eingebunden, bleibt Teil der Gemeinschaft. Daraus entsteht eine Kraft, die hält, trägt und dankbar macht. Einleitung von Dr. med. György Irmey

Um das Thema wirklichkeitsnah zu beleuchten, haben wir vier ehemalige Patienten befragt. Ihre offenen Antworten haben uns in der Redaktion sehr berührt.

Im Folgenden stellen wir Ihnen die vier Interviewpartner kurz vor, ausführliche Patientenberichte finden Sie hier

Gleising StefanieMit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Geschichte von Stefanie Gleising nicht zu erklären. Anfang 2010 diagnostizierten die Ärzte Brustkrebs. Dann ging alles ganz schnell: Biopsie und Operation. Beim Legen eines Ports und Chemotherapie stellte sich Widerstand ein: Während sie der Operation noch zustimmte, spürte sie deutlich, dass die Chemotherapie für sie nicht der richtige Weg war. Sie wählte zunächst Mistelbehandlungen und Hyperthermie. Doch leider kam der Krebs zurück; Metastasen bildeten sich. Sie erhielt nun Chemotherapie und Bestrahlungen. Mit einer Lebenserwartung von wenigen Tagen kam sie schließlich in ein Hospiz. Wie durch ein Wunder konnte sie das Hospiz nach sechs Wochen wieder verlassen. Inzwischen geht es ihr so gut, dass sie im Renngalopp durch die Wälder reitet und ihr Leben in vollen Zügen genießt.

2016 Keller OlsenBeiläufig im Flur einer chirurgischen Praxis erfuhr Angela Keller ihre Diagnose: „Mammakarzinom positiv″. Wie im Schock folgte sie dem schulmedizinischen Behandlungsweg. Der Wunsch, rasch ihr altes Leben zurückzubekommen, ließ sie allen Operationsvorschlägen folgen. Dann jedoch kam die Krisis. Plötzlich wusste sie genau, was gut für sie war. Ihr erstes deutliches „Nein″ wurde zum Schlüsselerlebnis. Sie folgte dann nur noch der Empfehlung zur Strahlentherapie und richtete parallel ihren Gesundungsweg nach ihrer Überzeugung ein. Ein anthroposophischer Arzt und ihre Lehrerin für Naturtherapie begleiteten sie. Im Jahr 1999 wurde sie auf die GfBK aufmerksam. Es fühlte sich an, als sei sie „zu Hause″ angekommen. Bis heute arbeitet Angela Keller in der Hamburger Beratungsstelle der GfBK und konnte schon vielen Ratsuchenden Mut machen.

2016 1 Weingart klFast 55 Jahre lang fühlte sich Martin Weingart bei guter Gesundheit. Im Jahr 2012 schlichen sich jedoch diffuse Beschwerden ein, die ihn schließlich zum Arzt führten. Aus fast völliger Gesundheit heraus sah sich Martin Weingart mit der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasierung konfrontiert. Die statistische Überlebenschance war mit 5% niederschmetternd gering. Sofort wurde die Chemotherapie in die Wege geleitet. Von Anfang an akzeptierte er die Diagnose, nie jedoch die Prognose. Er wollte alles daran setzen, wieder gesund zu werden. Durch die Psychoonkologin kam er mit der GfBK und mit Dr. Ebo Rau in Kontakt, den er sich als Vorbild nahm. Martin Weingart schlug den Gesundungsweg ein. Im Mai 2013 waren im PET-CT keine Krebsherde mehr erkennbar, im Januar 2014 kam dann der glückliche Befund: „Tumormarker normal.″

2012 Soefftge GiselaEnde 1984 suchte Gisela Söfftge wegen unklarer Bauchschmerzen ihren Frauenarzt auf. Seine Diagnose lautete Eierstock- und Gebärmutterhalskrebs im fortgeschrittenen Stadium. Sie konnte es einfach nicht glauben. Es folgten die Einweisung ins Krankenhaus und die Operation, danach die Strahlentherapie. Eine Chemotherapie allerdings kam für sie nicht infrage. Sie wandte sich an die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr und konnte sofort einen Beratungstermin vereinbaren. Durch den Rückhalt aus der Beratung gestärkt, leitete sie weitere Schritte ein: Umstellung der Ernährung, begleitende biologische Verfahren und die ambulante Behandlung in einer anthroposophischen Klinik im Schwarzwald. Eine Misteltherapie schloss sich an. Tanz, Yoga und Qigong vermittelten ihr Stabilität und innere Sicherheit. Die Seminare bei Ganimed e. V. und bei Herrn Dr. Irmey halfen ihr, wieder zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken.

Welche Bedeutung hat für Sie die Frage, wer Ihnen im Informationsdschungel Orientierung gibt und Ihnen mit Offenheit, Wärme und Sachverstand zur Seite steht?

Stefanie Gleising: Wenn ich mir Rat hole, dann bewerte ich ihn im Zusammenhang mit dem erlebten Kontakt. Habe ich das Gefühl, dass mir mein Gegenüber wirklich zuhört? Versteht er, worum es mir geht? Antwortet er oder sie auf meine Fragen oder spult er einfach sein Programm herunter? Fühle ich mich verstanden und ruhig? Oder eher angespannt und ängstlich? Je wohler ich mich dabei fühle, desto eher nehme ich den Rat an.

Angela Keller: Als Patientin bin ich auf gute therapeutische Beratung angewiesen und für meinen Heilungserfolg ist es wichtig, dass ich vertrauen kann. Also brauche ich Menschen, die einerseits über ein großes Erfahrungsspektrum verfügen und andererseits möglichst unabhängig und altruistisch mit mir eine „Allianz” eingehen. Eine gute Arzt-Patienten-Beziehung fällt nicht vom Himmel. Sie wächst mit der gegenseitigen Offenheit und dem Respekt füreinander.

Gisela Söfftge: Die Frage hat für mich eine große Bedeutung. Ganz wichtig ist mir ein verständnisvoller Hausarzt.

Martin Weingart: Die Nachricht über eine Krebserkrankung kommt wohl für die meisten Betroffenen schlagartig, von einer Minute auf die andere. Die richtigen Informationen in einer offenen Atmosphäre mit Empathie und Sachverstand übermittelt zu bekommen, kann ich nicht hoch genug einschätzen.

Was hat Ihnen dabei geholfen, über den medizinischen Behandlungsverlauf hinweg Ihre Autonomie zu wahren und Ihre Wünsche nicht aus den Augen zu verlieren?

Stefanie Gleising: Am Steuer zu sitzen, ist ein viel kraftvolleres Gefühl, als sich fahren zu lassen und ausgeliefert zu sein. Verantwortung zu übernehmen, so schwierig das auch manchmal ist, bedeutet aber handlungsfähig zu sein. Ich kann eine Zukunft planen und sie mir so visualisieren, wie es mir am besten passt. Letztlich fühlt sich auch das einfach besser an. Die Hoffnung bleibt mein Freund und lässt mich aufrecht stehen. Das Steuer einer anderen Person zu übergeben, bedeutet ausgeliefert zu sein. Das fördert die Selbstaufgabe.

Angela Keller: Es gab im Krankenhaus ein einschneidendes Erlebnis, bei dem ich mich dem Tod sehr nah fühlte. Eine lebensgefährliche Infektion mit hohem Fieber verbrannte sozusagen alles Unwichtige und öffnete mir die Augen für die wesentlichen Dinge des Lebens. Mit großer Klarheit wurde mir die Verantwortung für mein Leben bewusst. Es gelang mir immer leichter, das loszulassen, was mir nicht gut tut. Seitdem bin ich viel mutiger darin, meine Wünsche zu äußern und mich für deren Erfüllung einzusetzen. Ich nenne das jetzt mal Selbstliebe. Dafür bin ich auch bereit, einige Unannehmlichkeiten, Unfreundlichkeiten in Kauf zu nehmen. Ich bereite mich auf einen Arztbesuch vor, indem ich meine Fragen und Wünsche aufschreibe und freundlich, aber beharrlich um Antworten bitte. An der Reaktion des Therapeuten kann ich schon erkennen, ob wir gut miteinander auskommen werden. Im Zweifel verlasse ich mich auch auf mein Bauchgefühl. Als Patient bin ich nicht das Opfer. Ich kann den Arzt wechseln.

Gisela Söfftge: Körperliche Erfahrungen haben mir immer wieder dabei geholfen, auf meinem Weg zu bleiben. Ich habe begriffen, dass ich selbst Verantwortung übernehmen muss und kann. Durch die Krankheit habe ich außerdem angefangen, mehr auf meine innere Stimme zu hören. Ich respektiere heute meine Grenzen besser und sage nein, wenn es notwendig ist. Auch gegenüber den Behandlern. Ich musste erst einmal lernen, mich nicht von der Autorität eines Arztes beängstigen zu lassen. Angst blockiert das Denken und Handeln.

Martin Weingart: Von Beruf bin ich Ingenieur und von daher mit Projektmanagementmethoden vertraut. Ich habe meinen Gesundungsweg als mein bisher größtes Lebensprojekt verstanden und die ganze Sache entsprechend mit Computer, Internet, Terminplan, Dokumentenmanagement etc. gemanagt. Das sichere Terrain und die alltäglich genutzten Routinen haben mir geholfen, ein Stück Normalität auch während der Krankheit zu bewahren. Ich habe mich aber auch immer wieder von den Fesseln der Krankheit gelöst. Zwischen den Chemotherapien habe ich mich mit Freunden getroffen, Sport getrieben und sogar Kurzurlaube gemacht. Alles eben so gut es ging. Weitere Aspekte sind das achtsame „Hören” nach innen, durch Meditation oder Gespräche mit möglichst vielen anderen Menschen. Damit habe ich versucht, mir meiner Wünsche und Bedürfnisse bewusst zu werden und meinen eigenen Weg zu finden.

Wie haben Sie herausgefunden, was Sie selbst zur Bewältigung Ihrer Krankheit beitragen können? Wer oder was hat Sie dabei unterstützt?

Stefanie Gleising: Zuerst war da eine Freundin, die mit der Diagnose Brustkrebs vorausgegangen ist. Sie hat mich unmittelbar mit vielen Informationen versorgt. Sie war mir ein Vorbild. So habe ich relativ schnell verstanden, dass es nicht die Lösung gibt. Dass keiner, auch nicht die Schulmedizin, so einfach weiß, was richtig oder falsch ist. Ich hatte zwar zunächst keine Lust dazu, aber mein Leben war mir wichtiger als meine Unlust. Ich musste meinen Weg finden und dazu brauchte ich Information. Internet, Bücher, Mitpatientinnen, Ärzte. Ich zapfte alles an, was sich mir bot.

Angela Keller: Ich habe Fragen gestellt, wenn mir ein Therapievorschlag nicht gleich verständlich war, und immer Antworten erhalten, annehmbare und widersprüchliche. Wenn eine Erklärung in Resonanz mit mir ging, wenn sich der Heilungsweg „richtig” anfühlte, brauchte ich keine weitere Orientierung. Bei Unklarheiten habe ich weitere Informationen eingeholt, recherchiert, gelesen und die GfBK gefragt, bis ich einen Weg für mich erkennen konnte.

Gisela Söfftge: Mir haben mein Mann, Buchinformationen und eine anthroposophische Klinik im Schwarzwald geholfen. Für meine Gesundung war außerdem wesentlich, mir der Einheit von Körper, Geist und Seele bewusst zu werden und mich mit den Problemen zu befassen, die mich krank machten. Ich habe festgestellt, dass ich die Welt nicht verändern kann, aber meine Einstellung dazu.

Martin Weingart: Bereits früh nach Ausbruch der Krankheit habe ich mich im Internet über einschlägige Veranstaltungen informiert. In Seminaren der TEB-Selbsthilfe e.V., einem Vortrag von Dr. Ebo Rau und auf dem Krebskongress der GfBK, die ich stets zusammen mit meiner Frau besuchte, habe ich meine Erkenntnisse gewonnen. Heute behaupte ich, dass man sich bei einer schweren Krebserkrankung nicht nur auf Schulmedizin verlassen sollte, sondern vor allem auch auf sich selbst und seine inneren Heilkräfte. Darüber hinaus habe ich viele Bücher über meine Krankheit und die verschiedensten Therapien, Behandlungsmöglichkeiten etc. gelesen. Auch viele Seminare der GfBK, von Ganimed (Ganzheit in der Medizin e. V.) oder über Ernährung habe ich nach und nach besucht und mir so ein umfassendes Know-how angeeignet.

Welche inneren und äußeren Ressourcen haben Ihnen dabei geholfen? Welche Rolle haben Ihnen nahestehende Menschen oder Haustiere dabei eingenommen?

Stefanie Gleising: Zweifelsohne war mir meine Mutter ein großes Vorbild. Sie musste in ihrem Leben viele schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Immer wieder ist sie aufgestanden und hat sich einfach nicht „unterkriegen” lassen. Trotz allem hat sie ihre Lebensfreude und Herzlichkeit nicht verloren. Last but not least ist es auch wieder das Gefühl. Es fühlt sich einfach viel schlechter an, hoffnungslos und depressiv zu sein. Ich bin aber lieber stark und lebensfroh. Sehr wichtig waren meine Kinder, denen ich weiterhin die bestmöglichste Mutter sein wollte. Ich hatte ja auch da eine Verantwortung. Meine Katze Mimi hat immer wieder meine Trauer und meinen Schmerz weggeschnurrt. Sie hat mich so genommen, wie ich bin. Auch meine Stute, Lucinda, hat in meiner schwachen und schmerzhaften Zeit regelrecht auf mich aufgepasst. Sie ist so vorsichtig und weich gelaufen, dass ich sogar im Galopp sehr wenig Schmerzen hatte. Das hat mich zu Tränen gerührt. Ich habe mich sehr mit den Tieren verbunden gefühlt.

Angela Keller: Eine meiner besten Freundinnen hat mir direkt nach meiner Diagnose eine Postkarte geschickt. Ich besitze sie noch heute. Darauf ist in einem alten Schwarz-weiß-Motiv ein Mann an einem senkrechten Stahlseil zu sehen, der ganz allein in schwindelerregender Höhe seine Arbeit macht. Dazu der Spruch: „Keine leichten Aufgaben hier! Aber der Blick erweitert sich enorm.“ Das ist ein Beispiel für den humorvollen, mitfühlenden, ehrlichen Umgangston, der zwischen uns herrschte. Besonders meine Freundinnen haben mich darin bestärkt, dass es sich auf jeden Fall lohnt, meine Aufgaben zu erledigen, gut für mich zu sorgen und das Leben zu genießen. Menschenliebe und Tierliebe und überhaupt die Liebe zur Natur spielen eine sehr große Rolle und sind aus meinem Leben nicht wegzudenken. Tiere bringen pure Freude in das Leben kleiner und großer Menschen. Heute macht es mich glücklich, zu sehen, dass meine erwachsenen Kinder souverän und fröhlich ihr eigenes Leben gestalten. Haustiere spielen bei uns immer noch eine große Rolle. Ein Leben ohne meinen Hund Kalle Olsen kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Auch er hat mich schließlich gesund und glücklich gemacht.

Gisela Söfftge: Ich habe keine Angst mehr und mache nur noch, was ich für richtig halte.

Martin Weingart: Ich sage noch heute, ohne die lieben, mir nahe stehenden Menschen aus meinem engsten familiären Umfeld hätte ich es nie geschafft, wieder gesund zu werden. Aber auch der Freundes- und Kollegenkreis und viele andere Menschen haben mich unterstützt und mir geholfen. Ich bin auch froh, dass ich von Anfang an sehr offen mit meinem Krankheitszustand umgegangen bin und mein gesamtes Umfeld Anteil genommen hat. Bezüglich der inneren Ressourcen hat mir besonders meine stark ausgeprägte Widerstandsfähigkeit geholfen. Von Niederlagen habe ich mich noch nie unterkriegen lassen. Hindernisse habe ich stets umgangen, übersprungen oder niedergerissen. Meine Ängste versuche ich nicht zu verdrängen, sondern stelle mich ihnen liebevoll und dankbar, weil sie mich ja nur beschützen wollen. Ich glaube, dass mir einfach mein Charakter, so wie ich bin, sehr geholfen hat, wieder gesund zu werden. Ich habe intuitiv gespürt, dass ich den psychischen Ursachen meines Krebses auf die Spur kommen muss. Da ich eigentlich immer schon gesund gelebt habe, sagte mir mein Bauchgefühl, dass die Ursachen nicht im körperlichen Bereich zu suchen sind. Mit hypnotischen Heilreisen und intensiven täglichen Visualisierungen habe ich versucht, die möglichen Ursachen zu ergründen und innerlich für mich zu heilen. Einige liebe und sehr kompetente Menschen und gute Bücher, wie z. B. Simontons „Wieder gesund werden”, haben mir dabei sehr geholfen. Mit dem praktizierten Veganismus hat sich auch meine Lebenseinstellung grundlegend verändert.

Wie ist es Ihnen gelungen, trotz und mit Ihrer Erkrankung Ihr individuelles, selbstbestimmtes Leben zu leben?

Stefanie Gleising: Mit einer gewissen Portion Trotz. „Ich lass mir doch von dem Krebs nicht das Leben versauen. Jetzt erst recht!” Vieles, was einem vorher Angst gemacht hatte, verliert vor dem Hintergrund der Todesnähe an Bedeutung. Es wird an den richtigen Platz gerückt.

Angela Keller: Die Krebserkrankung hat mich gelehrt, dass alles, was geschieht, richtig ist. Ich kann mein Glück auch in den kleinen Dingen des Lebens zu finden. Seitdem bin ich meist voller Vertrauen und fühle mich ermuntert, das Leben so richtig auszuprobieren. Mit dieser Haltung finde ich immer Wege, auch mit körperlichen Einschränkungen. Wer sich dem Leben gegenüber ablehnend verhält, der findet immer Gründe und Schuldige und bleibt ein Opfer der Umstände, der Erkrankung. Ich habe mich für ein individuelles und selbstbestimmtes Dasein entschieden, weil das Gegenteil wirklich nicht verlockend ist. Wenn ich anderen die Verantwortung für mich übergebe, fühlt sich das gar nicht gut an. Ich meditiere seit über 30 Jahren. Die Techniken der Achtsamkeit und des Visualisierens haben mich trainiert, genauer auf meine Haltung, meine Bewertungen und Gedanken dem Leben gegenüber zu achten. Meine Betrachtungsebene zieht ja unweigerlich gute oder schlechte Gefühle nach sich. Wenn ich also die Chefin in meinem Körper bin, der voller Regenerationsfähigkeiten steckt, dann entscheide ich mich doch lieber für ein selbstbestimmtes Leben und für die Möglichkeiten der Veränderung, dort wo es mir nicht so gut geht.

Gisela Söfftge: Ich habe mich mit Fragen zu meinem Tod auseinandergesetzt und dadurch eine gewisse Freiheit gewonnen, die mich in meinen individuellen Entscheidungen unterstützt hat.

Martin Weingart: Ich habe schnell die Diagnose akzeptiert, niemals jedoch die Prognose. Ich wollte leben. Ich war fest davon überzeugt, dass ich, wenn ich alles gebe, alles in die Waagschale werfe, was ich habe, wieder gesund werden oder noch lange mit dem Krebs leben kann. Ich habe sonst keine Vorbilder. In diese Sache aber war Ebo Rau mein großes Vorbild. Wie oben schon erwähnt, habe ich der Krankheit nie zu viel Raum gegeben. Ich habe versucht, so schnell wie möglich wieder einen normalen Alltag herzustellen. Ich war insgesamt nur 40 Tage krankgeschrieben, habe sogar während der Chemotherapie gearbeitet. Ziel war es, so gut wie möglich den normalen Alltag wiederherzustellen und mit schönen Erlebnissen und guten Gedanken reichhaltig zu ergänzen. Natürlich hat es auch viele und traurige Tiefpunkte gegeben. Ich danke Gott, dass ich sie überwinden konnte. Überhaupt sind es die Dankbarkeit, für das, was man noch hat, und die Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse, die mir geholfen haben, die Tiefs zu überwinden. Heute können meine Frau, mein Sohn und ich manchmal selbst nicht glauben, wie wir das alles geschafft haben. Es scheint so zu sein, dass der Mensch in Ausnahmesituationen über sich hinauswachsen kann.

Welche Bedeutung hatten auf Ihrem Weg wichtige Ratgeber oder Informationsveranstaltungen, wie z. B. der Kongress der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr?

Stefanie Gleising: Der Kongress hat mir schon Mut gemacht. Die vielen Menschen, die hoffnungsvoll mit dem Thema Krebs umgehen, die alternative Heilungswege aufzählen. Aber auch der Kontakt mit Mitpatientinnen, der verdeutlicht, dass ich nicht mit meinem Schicksal alleine bin. Gemeinsam fühlt frau sich gleich stärker ...

Angela Keller: Die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. spielt für mich seit 1999 eine wichtige Rolle. Erst nur als seriöser, unabhängiger Ratgeber und jetzt auch als guter Arbeitgeber. Als Patientin erfuhr ich im Jahr 2000 auf meinem ersten Kongress in Celle so viel Bestärkung auf meinem Weg, dass ich zu Tränen gerührt war. Bis dahin hatte ich mich vor wichtigen Therapieentscheidungen oft sehr alleingelassen gefühlt. Ich fühlte mich wie „zu Hause” angekommen und wie ein Mitglied der „Familie” Biologische Krebsabwehr e. V. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Für einen Krebserkrankten kann ich mir kein besseres Beratungsangebot vorstellen. Von daher bin ich seit 2006 von Herzen gerne als Beraterin in Hamburg für die GfBK tätig.

Gisela Söfftge: Die Kongresse der GfBK waren mir sehr wichtig, daneben aber auch die Begleitung durch Herrn Dr. Irmey. Heute, rund 30 Jahre nach meiner Diagnose, besuche ich noch immer regelmäßig die Vorträge der Ganimed-Reihe und die GfBK-Veranstaltungen. Ich fühle mich der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr und den tragenden Menschen dort verbunden und unterstütze den Verein von Herzen gerne.

Martin Weingart: Hier schließt sich der Kreis zu den Fragen eins und drei. Ratgeber, Informationen und positive Beispiele haben eine immens hohe Bedeutung, um den Mut zu finden, den Kampf mit dem Krebs aufzunehmen oder ihn liebevoll zu überreden, den Körper doch wieder zu verlassen.

Meine Damen, lieber Herr Weingart: herzlichen Dank für Ihre offenen Worte!

Mit Stefanie Gleising, Angela Keller, Gisela Söfftge und Martin Weingart im Dialog war Susanne Schimmer. Die detaillierten Patientenberichte finden hier: Stefanie Gleising, Angela Keller, Gisela Söfftge und Martin Weingart

Das Interview erscheint geringfügig gekürzt in der GfBK-Mitgliederzeitschrift momentum - gesund leben bei Krebs, Ausgabe 1/2017
Bildnachweis: Fotolia  #93741640 und Bilder der GfBK