Skip to main content
© Martin Freudenstein

Niemals aufgeben!

Martin Freudenstein in Signal 4/2010

Vor mehr als 13 Jahren erlitt ich plötzlich einen schweren epileptischen Anfall während der Arbeit. Ich wurde in die Universitätsklinik nach Mannheim gebracht. Dort stellte man einen Hirntumor bei mir fest. Fünf Wochen später wurde ich zum ersten Mal operiert. Ich konnte damals nicht mehr sprechen und auch meinen rechten Arm nicht bewegen. Nach fast 10 Wochen Reha und Anschlussheilbehandlung war meine Sprache weitgehend wiederhergestellt. Fünf Jahre hatte ich Ruhe …

Im März 1997 hatte ich die erste Hirntumor-Operation – im Juni 2002 kam dann die schockierende Diagnose: Ich hatte ein Rezidiv! Aus der Kopfklinik-Heidelberg erhielt ich nur einen Tipp: „Machen Sie eine Chemotherapie!″ Der Tumor konnte nicht operiert werden. Ich erkundigte mich andernorts nach biologischen Alternativen oder Ergänzungen der Behandlung.

In 2004 erreichten meine epileptischen Anfälle ein lebensbedrohliches Stadium, den so genannten „Status epilepticus“. Weitere Operationen und schwere Medikamente waren notwendig. Unter anderem musste das Sprach- und Bewegungsarsenal im Gehirn mithilfe eines Elektroden-Implantats geortet werden, bevor das Rezidiv operiert werden konnte. Nach dem Eingriff konnte ich wieder nicht sprechen. Die ganze rechte Körperhälfte war gelähmt. Erneut musste ich in die Reha, diesmal folgten Strahlen- und Chemotherapie, danach ein weiterer Reha-Aufenthalt. Zwischen Herbst 2004 und Ende 2005 war ich mehr in Krankenhäusern als zu Hause.

Anfang 2006 wurde ich endlich berentet. Den Frühling 2007 verbrachte ich wieder in einer Klinik, diesmal hatte mich eine schwere Depression erwischt. Drei Monate stationäre Behandlung und weitere Medikamente brachten mich wieder auf die Beine. Die anschließende Reha tat ihr übriges, um meinen seelischen Zustand zu stabilisieren.

So geht es mir heute:

Seit Sommer 2008 gibt es keinen Hinweis auf ein Fortschreiten der Erkrankung, kein Zweittumor ist aufgetreten. Das bestätigte mir auch eine MRT-Untersuchung in Speyer letztes Jahr. Die einzigen Medikamente, die ich seither einnehme, sind ein Epilepsie-Mittel und ein Weihrauchpräparat. Ergo- und Physiotherapie helfen mir weiterhin, die körperlichen Auswirkungen der Erkrankung zu meistern. Und eine Psychotherapie begleitet mich auf der Seelenebene auf meinem Weg.

Ich hatte Glück und bekam ein neues Zuhause in einer betreuten Wohneinrichtung, wo ich mich wohl fühle. Die Gemeinschaft dort gefällt mir. Jeder kann sich und das, was er leisten kann, sinnvoll einbringen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Auf der Suche nach anderen Therapie-Möglichkeiten im Internet stieß auf die Seite der „Deutschen Hirntumorhilfe″ in Leipzig. Dort habe ich mich telefonisch beraten lassen und meine Adressdaten hinterlassen. Einige Tage später rief mich ein „Kollege″ aus Mannheim an und fragte, ob ich Interesse an der Gründung einer regionalen Selbsthilfegruppe Hirntumor hätte.

Wir haben dann Nägel mit Köpfen gemacht: Im September 2002 haben wir uns erstmals in einem kleinen Cafe in Mannheim zur „Gründungsveranstaltung″ getroffen – immerhin zu zehnt! Mittlerweile haben wir 40 Einträge auf unserer Mitgliederliste. Das sind sowohl Betroffene als auch Angehörige.

Unser Hauptansprechpartner ist Horst Schulz (Viernheim). Er hat vor einiger Zeit seine Frau wegen eines Gehirntumors verloren. Als Gesunder will er seine Erfahrung mit der Krankheit weitergeben und engagiert sich sehr. Er hat zum Beispiel die Verbindungen zum Gesundheitstreff Mannheim und dem Selbsthilfebüro Heidelberg geknüpft. Die Aufgabenzuordnung in unserer Selbsthilfegruppe ist nicht festgeregelt: Mal schreibt der eine die Einladung, mal der andere – das wird spontan, wie alles andere, am Telefon besprochen. 

Regelmäßig haben wir unsere Treffen- jeweils am 1. Sonntag im Monat. Die Mitglieder benachrichtigen wir per E-Mail und per Telefon. Meist sind wir in Heidelberg im Selbsthilfe-Zentrum in der Alten Eppelheimer Straße 38. Durch einen bewilligten Kostenübernahmeantrag bei einer Krankenkasse verfügen wir über ein wenig „Kapital“. Wir finanzieren davon zum Beispiel Infoblätter und Flyer.

Es tut gut, sich mit anderen Menschen, die auch an einem Hirntumor erkrankt sind, zu unterhalten. Denn nur sie und ihre Angehörigen können im Grunde genommen „mitreden″:

Die Erfahrungen über Folgen von Chemo- und Strahlentherapie austauschen. Über die psychischen Einflüsse durch epileptische Anfälle sprechen. Welche Medikamente das körpereigene Abwehrsystem optimal stärken. Die Ärzte im Bundesgebiet benennen, die auf verschiedenen Therapiegebieten hohe Kompetenz entwickelt haben. Über neueste Studien (z. B. Weihrauch/Hyperthermie – Uni Witten/Herdecke) diskutieren. Internet-Adressen und Literatur austauschen. 

Wir sind unsere besten Ärzte 

Wir haben in den vergangenen Jahren persönlichen und telefonischen Kontakt mit anderen Hirntumor-Selbsthilfe aufgenommen. Die Berlin-SHG hat z. B. eine ganz tolle Homepage. Außerdem bestehen Verbindungen zu der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in Heidelberg. Neben dem Austausch über verschiedene Aspekte der Erkrankung sind auch andere Themen wichtig. Der Spaß am Treffen ist ebenfalls entscheidend, vielleicht sogar am wichtigsten. Es kommen natürlich nie alle Teilnehmer, die auf unserer Mitgliederliste stehen. Die einen fühlen sich gerade nicht wohl, die anderen haben keine Zeit, wieder andere haben an dem Tag keine Lust. Wir wollen die SHG-Treffen auf keinen Fall zu Pflichtterminen werden lassen – davon haben wir schon genug! 

Wir werden aktiv und haben begriffen, dass wir unsere „besten Ärzte″ sind. Deshalb lautet unser Motto: Wir geben niemals auf!

Weitere Informationen

Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
©iStock, 1210358928, nortonrsx
GfBK Newsletter

Immer gut informiert

über Aktivitäten, Veranstaltungen und Angebote zu ganzheitlichen Krebstherapien sowie Gesundheitsimpulsen für Ihren Alltag.

Unser Newsletter ist ein kostenfreier Service der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V.