Umgang mit der Angst. Eine Befragung der ehemaligen KrebspatientInnen Sabine Hötzel, Uli Kappler, Ute Roy und Ebo RauKrebskranke werden nach der Diagnose häufig von ihren Ärzten und auch von ihrem persönlichen Umfeld unter Druck gesetzt, möglichst bald diese und jene Therapie zu beginnen. An diesem Punkt ist es ratsam, inne zu halten und zu fühlen, was wirklich sinnvoll und notwendig ist. Stimmen Sie weder einer Operation noch einer Chemotherapie voreilig zu, bevor Sie alle alternativen Möglichkeiten erwogen haben. Die Standards der konventionellen Medizin dürfen für den Einzelfall immer kritisch hinterfragt und für den Betroffenen individuell geprüft werden.

Dem Thema Angst begegnen wir nicht nur bei der Krebserkrankung. Zu unterscheiden ist hier zwischen angemessenen Ängsten und pathologischen Formen von Angst. Diese treten in zunehmend absurden Formen zutage. Zuletzt habe ich von der Angststörung gelesen, bei der man Angst hat, per Handy nicht erreichbar zu sein. Dafür gibt es sogar einen Namen: Nomophobie (No-Mobile-Phone-Phobia).

Angst in ihrer gesunden Form ist ein Phänomen, das uns natürlicherweise schützt und am Leben erhält. Die Angst der Eltern bewahrt Kinder davor, z. B. vor ein fahrendes Auto auf die Straße zu laufen. Dennoch verselbständigt sich das Gefühl der Angst sehr gern. Dann kann es sogar zur Angst vor der Angst kommen (Phobophobie).
Die Angst zu verdrängen, ist auf Dauer kaum möglich und langfristig auch keine gute Lösung. Sinnvoll ist es, sich ihr stellen. Dabei kann es hilfreich sein, mit vertrauten Menschen über die Ängste zu sprechen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Angst wie ein kleines Kind zu betrachten, das Trost braucht. Die meisten von uns können sich an eine Begebenheit erinnern, bei der sie vielleicht als Kind auf dem Schoß ihrer Mutter oder von einer anderen Bezugsperson Trost fanden, beispielsweise nachdem sie sich das Knie aufgeschrammt hatten. Dadurch hat sich damals das negative Gefühl rasch aufgelöst. Dieses Transformationspotenzial tragen wir auch heute noch in uns. Nur wenn wir mit unseren Ängsten in Berührung kommen, geben wir uns die Chance, das zu erleben.

Angst hat etwas, das wachrüttelt und aufmerksam macht.

1995 erkrankte Sabine Hötzel im Alter von 33 Jahren an Gebärmutterhaltkrebs. Es wurde umfangreich operiert und bestrahlt. Nach einiger Zeit entpuppte sich eine scheinbare Bronchitis als Metastasenbefall der Lunge. Frau Hötzel nahm Kontakt zur GfBK auf und wandte sich ganzheitlichen Methoden zu. Auf einer Seite wurde ihre Lunge operiert. Durch intensives Visualisieren konnte sie den operativen Eingriff auf der anderen Seite und die Chemotherapie vermeiden. Sie war noch zwei weitere Male mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Ihr Heilungsweg war begleitet von einigen biologischen Verfahren und von einem tiefgreifenden Bewusstseinsprozess. Heute ist Sabine Hötzel im GfBK-Vorstand tätig und setzt sich dort für die Belange der Patienten ein.

Uli Kappler

1999 wurden bei Uli Kappler gleich zwei bösartige Tumore in der Brust diagnostiziert, die beide bereits aus dem Milchgang ausgebrochen waren und das Lymphsystem befallen hatten. Es folgten mehrere Operationen. Das geplante Vorgehen der Ärzte schockierte sie: Amputation mit anschließender Chemo- und Strahlenbehandlung sowie Antihormontherapie. Sie holte weitere Therapie-Empfehlungen ein, die völlig unterschiedlich waren. Schließlich fand sie ihren eigenen „Patchwork-Weg”, der aus einer Reihe von Methoden bestand: Schulmedizin, Komplementärmedizin, Psychotherapie und Spirituelles. Eine zentrale Rolle spielte das Imaginieren, durch das sie in Kontakt mit ihren Zellen trat. Damit hat sie auch ein Rezidiv erfolgreich überwunden, das sieben Monate nach der Operation aufgetreten war. Ein Vierteljahr später war im PET (bildgebendes Verfahren) kein Krebs mehr zu finden.

Akzeptiere die Diagnose, aber nicht die Prognose.

Dr. Ebo Rau musste im November 1997 im Alter von 52 Jahren innerhalb Sekunden die Fronten wechseln – vom hilfsbereiten Allgemeinarzt zum hilflosen Patienten. Seine Diagnose lautete: fortgeschrittener, vorerst inoperabler Bauchspeicheldrüsenkopfkrebs, wahrscheinlich mit Lymphknotenmetastasen. Die Schulmedizin bot ihm nur palliative Chemotherapie und Bestrahlung an. Das Wort „palliativ“ bedeutet, dass die Behandlung auf Linderung der Beschwerden zielte, nicht auf Heilung. Als medizinisch Vorgebildeter wusste Ebo Rau genau, wie kritisch die Situation war. Er stand– wie er es selbst formuliert „vor dem Tor des Todes”. Heute ist Dr. Rau Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. und teilt seine Erfahrungen in Kursen und Vorträgen mit anderen Betroffenen.

Die homöopathische Behandlung stärkte auch meine Psyche

Kurz vor Weihnachten 2003 entdeckte der Gynäkologe von Ute Roy bei einer Vorsorgeuntersuchung einen Knoten in der Brust. Wie sich entgegen aller Erwartungen später herausstellte, war es Krebs. Sie wurde zwei Mal operiert und bekam dann die Empfehlung für Bestrahlungen und eine Antihormontherapie. Alles in ihr sträubte sich gegen die zu erwartenden Nebenwirkungen. Trotz der ärztlichen Aussage, sie spiele „Russisch Roulette”, entschied sie sich für eine homöopathische Behandlung. Sie setzte außerdem darauf, ihre innere Balance wiederzufinden, indem sie ihre Lebensumstände veränderte. Komplett genesen veröffentlichte Ute Roy 2013 ihr Buch „Russisch Roulette – oder nur ein etwas anderer Umgang mit der Diagnose Brustkrebs”.

Welche Bedeutung hatte Angst für Sie in Anbetracht Ihrer Diagnose? Wann spürten Sie sie zum ersten Mal?

Sabine Hötzel: Da ich mit der Diagnose Krebs vier Mal konfrontiert war, habe ich auch die Angst jeweils unterschiedlich erlebt. Grundsätzlich schwang sie jedes Mal mit, oft auch sehr unterschwellig. Beim ersten Mal (Diagnose Gebärmutterhals-Krebs) schien es so, als hätte mein Umfeld wesentlich mehr Angst als ich. Ich wusste nur eins: „Ich kann noch nicht sterben” da mein Sohn noch so klein war. Es konnte nur gerade aus gehen - ohne rechts oder links. Bei der zweiten Diagnose (Lungen-Metastasen) war es sehr ähnlich. Ich hatte Angst vor dem Eingriff, aber auch hier entstand so eine Art Tunnelblick. Er war darauf gerichtet, alle nötigen Informationen zu sammeln, Gespräche zu führen, Vorbereitung zu treffen und dann durch die Situation hindurchzugehen. Ziemlich kompromisslos. Ich tat alles mir mögliche zur Genesung. Der Angst vor Tod gab ich nicht wirklich Raum. Bei der dritten Diagnose (Borderline-Tumor am Eierstock) war es ähnlich. Die vierte Diagnose betraf einen Knoten im Oberbauch. Es bestand der dringende Verdacht auf eine Lymphknoten-Metastase. Hier ging ich zum ersten Mal aus der Arztpraxis und musste direkt weinen. Zum ersten Mal übermannte mich die Angst. Erst da hatte ich Angst vor dem Sterben. Ich sah vor meinem inneren Auge meine eigene Beerdigung, sah meine eigene Todesanzeige in der Zeitung und überlegte, ob ich alle meine Unterlagen gut sortiert hatte.

Ulli Kappler: Nach einer Ultraschall-Untersuchung äußerte der Arzt die Vermutung, dass es sich bei dem Knoten in der Brust mit großer Wahrscheinlichkeit um Krebs handele. Da habe ich gelacht: „Ich doch nicht! Sie irren sich.“ Selbst als sich nach der Operation herausstellte, dass er recht gehabt hatte, passierte in mir gar nichts. Na gut, der Knoten war bösartig, aber nun war er draußen und ich wieder gesund. Auch die Mitteilung, dass noch eine OP vonnöten sei, da nicht ‚im Gesunden‘ heraus geschnitten wurde, ließ mich relativ kalt. Die Angst erreichte mich erst, als aufgrund der schlechten Befunde die eindeutige Therapie hieß: Brust ab, Chemo, Bestrahlung, Tamoxifen. Da aber umso heftiger.

Ebo Rau: Bereits vor meiner Erkrankung hatte ich starke Ängste vor der Zukunft, vor Verlusten jeder Art, vor schwerwiegenden Erkrankungen, wie z.B. Krebs und vor allem auch vor dem Tod. Und nun war bei mir tatsächlich diese Lebenssituation mit schwerster Krebserkrankung eingetreten, vor der sich sicherlich jedermann fürchtet – ein wissender Arzt vielleicht in noch größerem Umfang. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist einer der bösartigsten und am schwersten zu behandelnden Krebsarten. Meine Angst war unsäglich stark. Ich befand mich nicht nur in einem Angstzustand, sondern ich stand regelrecht unter Schock.

Ute Roy: Da ich über Wochen diverse Untersuchungen mit kontroversen Diagnosen hatte, war mein Optimismus anfangs größer als meine Angst. Ich hoffte noch bis zur ersten OP, dass meine Geschwulst gutartig sein würde. Erst als der histologische Befund einen bösartigen Tumor bestätigte, erfasste mich große Angst. Positiv, wie ich eingestellt war, bezog sich meine Angst eher auf die nötigen medizinischen Schritte und Therapiemaßnahmen als auf eine Lebensbedrohung durch diese Krankheit.

Welche Lebensbereiche waren von angsterfüllten Gedanken betroffen?

Sabine Hötzel: Es war hauptsächlich der Lebensbereich Familie. Für mich wäre es furchtbar gewesen, wenn mein Kind ohne Mutter hätte aufwachsen müssen. Diese Angst gab mir auch Kraft.
Ulli Kappler: Alle. Wirklich alle. In der Reha, vier Monate später, habe ich mir jeden Abend gewünscht, einmal, nur ein einziges Mal wieder fünf Minuten nicht an Krebs und Tod denken zu müssen. Wenn man mich auf meine Erkrankung ansprach, kamen mir die Tränen. Ich konnte nichts dagegen tun. Das hat zwei Jahre gedauert.

Ebo Rau: Sämtliche Lebensbereiche waren betroffen. Die Krebserkrankung und die Todesnähe standen im Mittelpunkt der Angst. Außerdem hatte ich Angst,
…meine Frau als junge Witwe zurückzulassen mit unseren Kindern als Halbwaisen. Alle drei Söhne waren noch jahrelang in Ausbildung.
…Freunde zu verlieren
…vor finanziellen und beruflichen Verlusten bzw. deutlichen Einschränkungen
…bezüglich meiner Wohnsituation. Ich fürchtete, in ein Pflegeheim zu müssen.
…vor Siechtum und Pflegebedürftigkeit
…meine Hobbies nicht mehr ausüben zu können, z.B. mich nicht mehr sportlich betätigen zu können.

Ute Roy: …die Familie: Ich hatte Angst, meinen eigenen und deren Erwartungen nicht mehr gerecht werden zu können.
…die Hobbys und das private Umfeld: Ich befürchtete, meinen Frohsinn, meine Vitalität und meine Sportlichkeit einzubüßen, die mich ausmachen und die alle um mich herum so schätzen.
…mein Selbstbild: Es hätte sich verändern können, wenn ich für alle nur noch eine bedauernswerte Krebskranke gewesen wäre.
…meine Zukunftsvisionen: Sie wären eventuell nicht mehr erlebbar gewesen.

Was hat Ihnen persönlich geholfen, mit Ihren Angstgefühlen umzugehen?

Sabine Hötzel: Mir half der Fokus auf meine mögliche Gesundung. Ich informierte mich über alles, was ich wissen wollte, machte Dinge, die mir hilfreich erschienen, wie u.a. alternative Heilmethoden. Wenn ich meine Ruhe wollte, schirmte ich mich rigoros ab. Ich lernte Dinge anzusprechen, die mich beschäftigten, auch wenn sie mir nicht angenehm waren. Bei der sehr großen Angst hat mir geholfen, dass ich bei meinem damaligen Partner unglaubliche Ruhe und Geborgenheit finden konnte. Das war ein Erlebnis, das Kraft gab – wie eine Auszeit von dem ganzen Schweren. Mein näheres Umfeld war an meiner Seite und versuchte, mich in meinem Sinne zu unterstützen.

Ulli Kappler: Eine Psychotherapie, mein neuer Hund, den ich in Ungarn auf einem Flohmarkt gerettet habe und Gespräche mit anderen Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren. Nach den zwei ersten, anstrengendsten Jahren wollte ich dann allerdings nichts mehr mit krebskranken Menschen zu tun haben. Ich wollte leben. Gesund unter gesunden Menschen.

Ebo Rau: Wäre ich vor meiner Erkrankung gefragt worden, was ich bei dieser Diagnose machen würde, hätte ich geantwortet: „Ich würde noch einige Zeit verreisen und dann wäre das Leben eben vorbei”. Doch ich handelte ganz anders. Meinen ersten Heilimpuls erlebte ich unmittelbar nach der Diagnose: Ich nahm sie an und akzeptierte die unausweichliche Erkrankung. Zu meinem Glück verinnerlichte ich nicht die schulmedizinische Prognose. Ich wollte alles eigenaktiv zu einem guten Verlauf beitragen, was mir möglich war. Was ich nicht ändern konnte, überließ ich den „Höheren Mächten”. In der Nacht nach meiner Diagnose sprach ich ganz tief und innig mit meiner Seele. Ich fragte sie, ob sie meinen Körper verlassen möchte. Sie erwiderte: „Ebo, sei unbesorgt. Alles hat seine Richtigkeit. Ich, Deine Seele, bin der größte und wichtigste Teil in dir. Ich bin unsterblich, auch wenn ich deinen Körper irgendwann verlassen werde.” Durch diese Worte wurde ich umgehend angstfrei und zuversichtlich. Es war wie eine Erleuchtung. In mir entstand ein Urvertrauen in das Leben und in die Höheren Mächte. Diese Angstfreiheit vor dem Tod ist mir bis zum heutigen Tag erhalten geblieben – ein wahrlich tolles Geschenk meiner Erkrankung und der Todesnähe.

Ute Roy: Zum Glück verfüge ich über einen großen Optimismus in allen Lebenslagen. Während der gesamten Therapiezeit wurde ich von meiner Hausärztin durch intensive Gespräche optimal begleitet. Dank ihrer homöopathischen Behandlung war meine Psyche so gestärkt, dass Panik und Todesangst nur in ganz geringem Umfang aufkamen. Dadurch dass ich die Strahlentherapie abgelehnt habe, konnte ich durchgängig meinen sportlichen Aktivitäten nachgehen. Im Freundeskreis bin ich mit meiner Erkrankung offen umgegangen. So konnte ich über meine Ängste jederzeit mit jemandem sprechen.

Haben Sie einen Tipp für andere Betroffene, wie sie ihrer Angst begegnen können?

Sabine Hötzel: Lassen Sie die Angst zu und drängen Sie sie nicht weg, Angst ist hier völlig normal. Aber sie darf nicht Überhand nehmen. Fragen Sie sich „Wovor habe ich Angst?” Falls irgendwelche Fragen offen sind, klären Sie diese unbedingt. Das gibt ein ruhigeres Gefühl. Wenn man die Angst wirklich angeschaut hat, kann man auch entscheiden, ob sie in diesem Ausmaß im Moment wirklich realistisch ist. Eine große Hilfe war mir, meine ängstlichen Gedanken bewusst zu stoppen, wenn sie völlig abstrus wurden. Ich unterzog sie einer Realitätsprüfung und stellte oft genug fest, dass meine Gedanken nichts mit der Realität zu tun hatten. Dann ersetzte ich sie durch andere. Das ist anfangs zwar anstrengend, aber es lohnt sich.

Ulli Kappler: Nein, den einen "Tipp" gibt es nicht. Jede Frau reagiert anders. Mir hat die Entdeckung geholfen, dass ich mit meinen Zellen sprechen konnte. Das Wichtigste erscheint mir, seine Gefühle, wie immer die auch sein mögen, wahrzunehmen und zu akzeptieren. Sich nicht zu zwingen, fröhlich zu sein, wenn einem zum Heulen zumute ist. Aber zu wissen: Es ist alles eine Frage der Zeit – und die ist unterschiedlich lang. Die Lebenslust kehrt irgendwann zurück. Ganz sicher.

Ebo Rau: Machen Sie sich bewusst, dass es in jedem Menschen einen unsterblichen Teil gibt, der in Ihnen absolut der größte und wichtigste Teil ist. Finden Sie zu dem Glauben, dass alles im Leben seine Richtigkeit hat, auch wenn wir Menschen das meistens nicht verstehen können. Versuchen Sie, in Kontakt mit dem Urvertrauen in das Leben und in die „Höheren Mächte” zu kommen. Haben Sie Zuversicht und Hoffnung auf Heilung bzw. ein befriedigendes „Leben mit Krebs”. Schreiben Sie Tagebuch. Das hat mir sehr geholfen, die kreisenden Angstgedanken aus dem Kopf zu vertreiben. Werden Sie eigenaktiv und suchen Sie nach Möglichkeiten, Ihre Selbstheilungskräfte zu stärken. Sprechen Sie ehrlich und liebevoll mit der Familie und geeigneten Freunden über Ihre Ängste.

Ute Roy: In erster Linie rate ich dazu, sich nicht zu verkriechen und mit dem Schicksal zu hadern. Nutzen Sie die Kontakte zu guten Freunden für offene Aussprachen. Für mich war es förderlich, oft in der Natur und an der frischen Luft zu sein. Befassen Sie sich mit Literatur, die Hoffnung spendet und glückliche Ausgänge bei einer Krebserkrankung schildert. Lassen Sie es sich - soweit das in der Situation machbar ist - einfach gut gehen. Folgen Sie Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Eliminieren Sie möglichst viele Störfaktoren.

Was raten Sie Menschen im Umfeld von Krebspatienten, wie sie der Angst der Erkrankten umgehen können?

Sabine Hötzel: Ich wollte damals zunächst weniger mit meinen Angehörigen über meine Angst sprechen, um sie nicht noch zusätzlich zu belasten. Ich kann mir vorstellen, dass es anderen Betroffenen ähnlich geht. Hilfreich ist es, wenn ein außenstehender Gesprächspartner gefunden werden kann. Dafür gibt es z. B. professionelle Hilfe von Therapeuten, Psychoonkologen oder Seelsorgern. Die Angehörigen können den Patienten offen fragen, ob er mit ihnen über seine Ängste sprechen mag. Dann wird sich das ergeben, was passend ist. Sicherlich ist das auch von der Dauer der Erkrankung abhängig und von dem zwischenmenschlichen Verhältnis.

Ulli Kappler: Auch da gibt es nichts Allgemeingültiges. Meine Angst war die Angst zu sterben. Die Angst vor der Verstümmelung des Körpers, vor Haarausfall und Schmerzen. Die kann einem niemand nehmen. Die kann man auch nicht trösten. Nicht in dem Moment jedenfalls. Mir hat es gut getan, dass ich weinen und traurig sein konnte, wenn mir danach war, ohne immer aufmunternde Worte zu hören wie „Das wird schon wieder. Kopf hoch!” Und auch, wenn mein Umfeld ansonsten völlig normal mit mir umgegangen ist. Ein Mensch ohne Krebserfahrung kann bei allem Bemühen und aller Liebe nicht nachempfinden, wie es ist, mit Krebs konfrontiert zu sein.

Ebo Rau: In jeder Lebenssituation und besonders bei Todesnähe und Schwersterkrankung hilft in der Kommunikation nur „liebevolle Ehrlichkeit bzw. ehrliche Liebe”. Wenn wir diese zwei „Heilmittel” miteinander verbinden, machen wir alles richtig und helfen einander bei der Bewältigung des Lebens und gegebenenfalls auch des Todes. Auch wenn es Ihnen bei einem Schwersterkrankten sicher nicht immer leicht fällt: Lassen Sie den Betroffenen seinen Lebensweg selbst gestalten, so dass er eigenaktiv werden kann. Für mich war es wichtig und nützlich, dass ich ergänzend zur Schulmedizin ganzheitliche Heilmethoden gesucht und angewandt habe. Die GfBK war mir dabei eine große Hilfe. Ich bin mir sicher, dass jeder Krebspatient Möglichkeiten finden kann, die dazu geeignet sind, die eigenen Heilungskräfte zu aktivieren. Impulse dazu will ich mit den GfBK-Benefiz-Kalendarien geben.

Ute Roy: Bereits in jungen Jahren habe ich den Leidensweg meiner Schwiegermutter bis zu ihrem Tod begleitet. Damals ist mir bewusst geworden, dass das Trösten und Verharmlosen manchmal nicht angemessen ist. Wenn jemand schwerstkrank ist und im Sterben liegt, ist es wichtig, dass er offen über alles Belastende reden kann, um die Angst vor dem Unvermeidlichen zu lindern.
Bei positiven Prognosen und gutem Verlauf ist es sinnvoller, dem Betroffenen so normal wie immer zu begegnen und die Krankheit öfter mal „beiseite zu lassen”. Sie sollte kein Dauerthema sein.

Welche Veränderung in Bezug auf Ihre Ängste generell hat die Erkrankung mit sich gebracht?

Sabine Hötzel: Was grundsätzlich geblieben ist, ist mein Vertrauen in eine höhere Macht. Durch meine Erkrankung habe ich gelernt, dass es keine Zufälle gibt. Ich habe einen tiefen Glauben entwickelt in die Richtigkeit der Dinge, die um mich herum geschehen. Das nimmt mir viel von meiner Angst. Dennoch bin ich auch heute nicht angstfrei. Ich versuche, mir selbst gerecht zu werden: Das erfordert Achtsamkeit in Hinblick auf die Frage, was für mich stimmig ist und was nicht. Unsicherheiten bezüglich körperlicher Zeichen lasse ich nicht im Raum stehen und kläre alles sofort ab. Mit solchen Ängsten muss ich mich nicht belasten. Und ja, es steht immer wieder die Angst im Raum, „Was ist wenn…?” Dann mache ich mir bewusst, dass aktuell nichts Greifbares da ist. Und sollte es kommen, wäre noch genug Zeit, um Angst zu haben. Angst hat etwas, was wachrüttelt und aufmerksam macht. Und Angst kann etwas sein, was lähmt und schwächt. Durch diese Erfahrung habe ich bei unglücklichen Alltagserlebnissen, über die man sich aufregen könnte, immer im Hinterkopf dass alles noch viel schlimmer sein könnte. Damit relativiert sich einiges und das macht mich vielem gegenüber gelassen.

Ulli Kappler: Meine Angst war einer Entwicklung unterworfen. Zunächst war da die akute Angst vor der Lebensbedrohung, von der alle anderen Ängste zurück gedrängt worden waren. Nach der erfolgreichen Therapie wich sie im Laufe der Zeit einem Wissen um das Damoklesschwert, das ab sofort grundsätzlich über meinem Haupt schweben würde. Die Angst hat sich nach einigen Jahren in Sorge abgeschwächt. Sie taucht auch nur dann noch auf, wenn eine neue Untersuchung bevorsteht oder wenn sich ein merkwürdiges körperliches Unwohlsein zeigt, zum Beispiel Schmerzen im Bereich der Leber. Ist alles in Ordnung, verschwindet sie wieder – bis zur nächsten Untersuchung. Das ist selbst nach 14 Jahren noch so, beeinträchtigt aber meine Lebensfreude in keinster Weise. Die "alten" Ängste sind zum Teil ganz verschwunden (die irrationale Angst vor Gewitter zum Beispiel), andere spielen als "verständliche" Angst vor realen Gefahren eine nützliche Rolle. Durch die Erkrankung habe ich gelernt, dass ich Angst haben darf und schwach sein darf. Wenn ich stark bin, bin ich stark und wenn ich schwach bin, bin ich schwach. Beides ist in Ordnung für mich – und für mein Umfeld.

Ebo Rau: Die Auseinandersetzung mit dem damals scheinbar direkt bevorstehende Lebensende und das Wissen um die Unsterblichkeit der Seele haben mir jede Angst vor dem Tod genommen. Der Tod ist für mich heute nur ein Übergang in ein anderes Leben. Meine Alltagsängste bestehen weiterhin, aber in geringerem Umfang als vor der Erkrankung. Sie relativieren sich in Anbetracht der vitalen Bedrohung. Derzeit verspüre Ich nur sehr selten eine Grundangst im Gegensatz zu der Zeit vor dem Krebs. Ich finde es schade, dass ich eine Krebserkrankung benötigt habe, um zu dieser elementaren Lebenseinstellung zu kommen und meine Todesangst zu verlieren. Mein Motto lautet heute: „Dankbarkeit für das Leben: Carpe Vitam – Liebe Dein Leben – Lebe Dein Leben”.

Ute Roy: Ab und zu befürchte ich, wieder Krebs zu bekommen. Wenn ich auf andere Weise erkranke, habe ich Angst, dass mein Immunsystem nicht optimal funktioniert und irgendwo ein Rezidiv entstehen könnte. Vor und bei den Nachsorge-Untersuchungen bin ich jedes Mal äußerst angespannt, nervös und angstbeladen. Gleichzeitig hat der Brustkrebs mir insgesamt eine gelassenere Sichtweise beschert. Alltagsängste habe ich kaum. Ich traue mir sogar riskante Dinge zu, wenn sie mir Freude bereiten. Das stärkt mein Selbstvertrauen. Aus den bereichernden Infoveranstaltungen der GfBK weiß ich, dass mein Körper über enorme Selbstheilungskräfte verfügt, auf die ich immer zählen kann.

Meine Damen, lieber Doktor Rau: Herzlichen Dank für Ihre offenen Worte!

Mit Sabine Hötzel, Ulli Kappler, Ebo Rau und Ute Roy im Dialog war PetRa Weiß, das Vorwort schrieb Dr. med. György Irmey.

Diese Befragung erschien in etwas gekürzter Form in der Mitgliederzeitschrift "Signal" (4/2014)