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© Sarah Nadine Herrwerth

Ums Überleben kämpfen - Verwandlungen auf dem Weg mit der Krankheit

Sarah Nadine Herrwerth in momentum 4/2020

Eine Krankengeschichte mit dramatischen Wendungen: Die Diagnose Brustkrebs hat Sarah Herrwerth als junge Mutter im Alter von 29 Jahren erhalten. Sie selbst beschreibt die folgende Zeit als sehr bewegend. Zwei weitere Diagnosen folgten, düstere Prognosen und strapaziöse Therapien auf der einen Seite - und wachsendes Vertrauen in die eigene innere Stimme auf der anderen Seite.

Schwere Entscheidungen waren nötig und ein langer Atem für einen langen Weg, auf dem die Patientin Schritt für Schritt Veränderungen ausprobiert hat. Heute - 16 Jahre nach der ersten Diagnose - lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Heidelberg und hat sich selbst damit überrascht, dass sie das Thema Krebs in ihren Berufsalltag hereingelassen hat.

Im Jahr 2004 - drei Monate nach der Geburt meines zweiten Sohnes, ich selbst war gerade 29 Jahre alt - erhielt ich die Diagnose Brustkrebs. Daran hat sich eine sechsmonatige Chemotherapie mit der Amputation der erkrankten Brust und der Entfernung von Lymphknoten in der Achsel angeschlossen. Erstaunt hat mich von Beginn meiner Erkrankung an, dass die Ärzte und Ärztinnen mir immer wieder gesagt haben: „Sie als Patientin können da gar nichts machen.“ Diese Aussage konnte ich nicht glauben, und sie hat meine Aktivität herausgefordert. Meine Chemotherapie damals war von vielen Infekten begleitet, und ich habe versucht, sie mit Visualisierungen und einer „Selbstmanipulation“ in den Griff zu bekommen. Das ist mir immer wieder gelungen, und so experimentierte ich weiter. Langsam ist in mir die Erkenntnis gereift, dass eine Veränderung in meinem Leben nötig war, wenn ich gesund werden wollte. Doch ich wusste noch nicht genau, was ich verändern sollte. Während ich selbst bereit war, mich Schritt für Schritt auf Veränderungen und auch auf Experimente einzulassen, war mein damaliger Mann nicht in der Lage, diese Situation anzunehmen. Er lehnte jegliche Veränderung ab, und unsere Wege trennten sich langsam.

Bei der ersten Nachsorgeuntersuchung nach etwa einem halben Jahr erhielt ich eine zweite Diagnose, diesmal Lebermetastasen. Meine Prognose wurde auf ein halbes Jahr bestimmt, und man legte mir nahe, mich in ein Hospiz zu begeben, um bis zu meinem Tod keine großen Qualen zu erleiden. Spontan und heftig verspürte ich Wut gegen diese Äußerungen. Ich konnte und wollte diese Vorhersage meiner Zukunft nicht annehmen, ich spürte die Kampfansage in mir: Jetzt erst recht!

Innerlich war ziemlicher Tumult angesagt: Angst vor der Krankheit, Angst vor dem Tod, Angst vor falschen Entscheidungen, Wut und Enttäuschung über die aktuelle Situation - und mir war klar: Wenn ich mich diesen heftigen Gefühlen überlasse, würde mich mein eigener Widerstand zerfressen. So versuchte ich, die Enttäuschung und die Wut auf einen sinnvollen Weg zu bringen - manchmal habe ich dabei eher meinen Tod und das Sterben vor Augen gehabt, aber meistens habe ich an Gesundheit und die Möglichkeit der Heilung geglaubt. Meine Suche nach den richtigen Ärzten, die mich auf meinem Weg begleiten konnten, war langwierig. Vier Universitätskliniken lehnten meine Behandlung ab. Hatte niemand mehr Hoffnung für mich? In Heidelberg erhielt ich schließlich die Zusage einer Therapie, was mich und meine Familie allerdings auf eine zusätzliche Art belastete: Ich musste rund 500 Kilometer von zu Hause weg.

Zerreißprobe Heidelberg

Diese Entscheidung ist mir unendlich schwer gefallen. Meine Kinder konnte ich allenfalls an den Wochenenden besuchen, wenn mein Zustand die weite Reise erlaubte. Die Kinder waren bei meinem Mann gut versorgt, zur Unterstützung standen die Großeltern bereit. Ob einer von ihnen damals wirklich an mich geglaubt hat? Die räumliche Entfernung war auch Ausdruck für die angeschlagene Beziehung zu meinem Mann. Gleichzeitig war es die einzige Aussicht, überhaupt einen Therapieplatz zu bekommen. Meine Überlegung war klar und nüchtern: Die Kinder sind klein und haben ihr Leben vor sich. Wenn ich nur noch sechs Monate leben würde, wären sie immer noch klein und hätten immer noch ihr Leben vor sich. Sie würden auf eine kurze Zeit zurückschauen, die sie mit ihrer Mutter verbracht haben. Die kommenden sechs Monate würden für meine Kinder im Rückblick vermutlich keine allzu große Bedeutung haben. Als Mutter hätte ich mir selbst gewünscht, in diesem halben Jahr möglichst viel Zeit mit meinen Kindern zu verbringen – und in diesem Sinn habe ich zum damaligen Zeitpunkt wertvolle Zeit mit meinen Kindern verschenkt.

Auf der anderen Seite stand die vage Aussicht, die sechs Monate zu überleben. Mit einer Heilung zu rechnen, war sehr schwer, doch ich glaubte zumindest daran, dass ich eine Besserung herbeiführen konnte, die es mir ermöglichte, länger als sechs Monate zu leben. Natürlich war es meine Hoffnung und mein Wunsch, meine beiden Kinder größer werden zu sehen, mit ihnen zusammenzuleben und ihren Lebensweg noch viele Jahre zu begleiten. In der damaligen Situation, in meiner Ehe und in der bisherigen Umgebung zu bleiben, wäre für mich der sichere Tod gewesen, allein schon, weil keine Behandlung vor Ort in Sicht war.

Auf dem Prüfstand: Beziehungen, Gedanken, Impulse

Eine harte, konsequente Entscheidung zu treffen, war eigentlich nie meine Stärke. Aber in dieser Ausnahmesituation, in der mein Leben davon abhing, für mich selbst zu entscheiden, war ich fähig, Undenkbares zu tun. Ob andere diese Entscheidung verstehen, wurde in diesem Moment unwichtig für mich, und zumindest diese Frage hat mich nicht weiter gequält. So begab ich mich in eine fremde Stadt, in der ich überwiegend allein war. Ich wusste, dass mein Zustand alles andere als hoffnungsvoll war, aber dennoch war ich fest entschlossen, alles zu geben, was in meiner Macht stand. Ich war überzeugt, dass ich das Richtige tat.

So konnte ich mich auf den gewählten Weg fokussieren: Auf der einen Seite bin ich „technisch“ und analytisch an die Sache herangetreten, um nicht in Panik zu geraten. Andererseits war dringend die Verbindung zu meinem Inneren erforderlich, um meinen Weg erkennen zu können. Immer wieder war es nötig, Ratschläge und Empfehlungen zu sortieren, echte Unterstützung und Hilfen zu unterscheiden von Zuschreibungen, die Ohnmacht, Handlungsunfähigkeit und Hilflosigkeit in mir ausgelöst haben, und diese - vielleicht gut gemeinten - Aussagen konsequent abzuweisen. Manche Menschen sind auf diesem Weg aus meinem Leben verschwunden. Visualisierung und Meditation gehören seit damals zu meinem Alltag, und obwohl ich immer wieder einen gesunden Zustand visualisiert habe, an eine tatsächliche Heilung konnte ich zu dieser Zeit (noch) nicht wirklich glauben. Doch es stellte sich heraus, dass die mentale Kraft unglaublich viel in Bewegung setzen kann. Nach einem weiteren Jahr, einer erneuten Chemotherapie, zwei Leberoperationen, einer Reanimation von 50 Minuten und einer Zeit im Koma hatte ich mein Ziel tatsächlich erreicht. Meine Ehe allerdings war in dieser Zeit endgültig auseinandergegangen.

Frag dich nicht, was richtig ist, sondern frag dich, was du fühlst. Hör auf zu fragen, ob du kannst, sondern frag dich, ob du willst. Julia Engelmann

Von außen sah es aus, als könnte ich alles irgendwie wegstecken, um an mein Ziel zu gelangen. Die Voraussetzung dafür war allerdings, meine Situation so anzunehmen, wie sie sich mir gezeigt hat. Erst als ich auch meinen drohenden Tod akzeptiert habe, wurde ich freier und mutiger. Entscheidend war auch, die Opferrolle zu verlassen, in der ich mich schwach und machtlos gefühlt habe. Ich wollte alles tun und jede Chance nutzen, auch wenn es am Ende nicht reichen würde. Ich habe gelernt, mich dem Fluss des Lebens hinzugeben, ohne aufzugeben. Mit dem wachsenden Vertrauen bin ich die schlimme, lähmende Angst und Erstarrung losgeworden. Ich bin frei geworden in meinem Handeln. Ich lernte, dass nichts kontrollierbar, aber sehr wohl beeinflussbar war. Erzwingen kann man nichts im Leben. Ich konnte es selbst nicht glauben, diesen Zustand im Juni 2006 erreicht zu haben: Gesundheit. Die Ruhe nach dem Behandlungsabschluss war nicht leicht für mich, denn ich war voll und ganz noch immer auf Kampf und Aktivität eingestellt. Ich hatte vergessen, die Zeit nach dem Erfolg zu visualisieren. Zunächst bin ich mit meinen Kindern nach Heidelberg umgezogen, denn dort lag mein Vertrauen, und diese Umgebung hat mir Sicherheit gegeben. In den folgenden Jahren habe ich mich in rekonstruktive Operationen begeben und an meiner Nahtoderfahrung gearbeitet. Ich war lange orientierungslos und musste mich selbst neu finden.

Die dritte Diagnose und ein eigener Weg

Nach zweieinhalb Jahren kam es erneut zu einem Rezidiv. Der Therapievorschlag lautete: eine weitere Chemotherapie mit allen möglichen Begleittherapien. Mein Eindruck war, dass eine weitere Therapie allein im konventionellen Sinne mir nicht helfen würde. Im Gegenteil, ich hatte Angst, an den Folgen der Chemotherapie zu sterben. Mein Körper würde das ganz sicher nicht überstehen - das spürte ich. Nach den wiederholten Krebserkrankungen war es umso wichtiger, gut durchdachte Entscheidungen zu treffen. Das war der Beginn meines eigenen Weges, den ich nur durch Wissen, Vertrauen, Akzeptanz und eiserne Disziplin bewältigen konnte. Wieder stellte ich mir nüchtern und klar die Frage, was einer Lebensumstellung eigentlich gegenüberstand: der Tod. Also dachte ich über die „Schwierigkeiten“ dieser Umstellung gar nicht mehr nach. Wenn ich überleben wollte, hatte ich nur diese Chance! Andere Meinungen, die zeitweise regelrecht auf mich einprasselten, musste ich stark und diszipliniert abwehren. Das war nicht immer leicht, denn auch die Angst wurde immer wieder ins Spiel gebracht. Doch diese Angst habe ich nicht mehr an mich herangelassen. Ich wusste: Sie würde mich nur lähmen und mir Zeit stehlen, die ich nicht mehr hatte. Ich brauchte kluge und klare Entscheidungen, die aus mir heraus kamen. So lernte ich, bei mir selbst zu ble ben, und ließ mich von meinem Bauchgefühl leiten. Alles andere wäre ein Kampf gegen mich selbst gewesen.

Wieder einmal war nicht klar, ob ich die Krankheit überleben würde. Offen gesagt: Mit dieser dritten Diagnose innerhalb von fünf Jahren sah es nicht gerade gut für mich aus. Meine Chance lag darin, mich auf mein Gefühl und meinen Körper zu verlassen, mir selbst zu vertrauen. Ich habe mich immer weiter gut informiert, nach Studien recherchiert und ganzheitlich orientierte Ärzte besucht. So stellte ich mir meine eigene Therapie zusammen: eine spezielle und umfassende Ernährung, disziplinierter Sport, ausleitende bzw. entgiftende Maßnahmen, Visualisierungen und Autosuggestionen sowie Meditationspraxis - dieses Programm habe ich mit eiserner Konsequenz durchgehalten. Und ich habe es nur bewältigt, indem ich mir mein Ziel immer bildhaft vor Augen gestellt habe. Die empfohlene Chemotherapie, die Antihormon- und Antikörpertherapie habe ich abgelehnt. Nach meinem Gefühl war eine Operation sinnvoll, und ich habe auch der Strahlentherapie zugestimmt. Dem Druck von außen konnte ich mich nicht ganz entziehen. Mit meinen Zweifeln habe ich Rat bei der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr gesucht. Diese Beratung hat mich in meinem Handeln und meinen Entscheidungen bestärkt, und mit dieser Bestätigung konnte ich meinen Weg weitergehen.

Und heute?

Nach inzwischen elf langen Jahren Gesundheit weiß ich mehr denn je, dass dieser Weg richtig war. Der Mensch ist keine rational denkende Maschine. Wenn heute jemand sagt, meine Genesung sei ein „glücklicher Verlauf“ gewesen, stimmt dies einerseits. Andererseits werden meine Bemühungen, meine Disziplin, meine eigene Arbeit auf psychischer Ebene, meine Auseinandersetzung mit dem Krebs und meinem gesamten Leben scheinbar mit einem einzigen Schachzug ins Matt gesetzt. Diese Aussagen sind für mich kaum verständlich, nachdem mir als Patientin die zum damaligen Zeitpunkt vernichtende Prognose zugemutet worden ist. Heute bin ich davon überzeugt, dass mich die Kombination der verschiedenen Therapiebausteine, der Glaube an meine Gesundheit und das wachsende Vertrauen in meinen eigenen Weg zur Heilung in das lebendige Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele geführt haben.

Auch die Reanimation hat mich verändert. Ich spürte eine neue Lebensaufgabe auf mich zukommen, die ich jedoch stets „abgewimmelt“ habe, denn mit dem Thema „Krebs“ wollte ich nichts mehr zu tun haben. Es hat mich aber in all den Jahren immer wieder aufgesucht, und letztlich glaube ich, dass ich die Reanimation überlebt habe, um diese Lebensaufgabe zu erfüllen. Zusätzlich zu meinen persönlichen Erfahrungen habe ich spezifische Ausbildungen absolviert. Beide Aspekte sind heute tragende Säulen meiner Arbeit: Ich berate Menschen, die an Krebs erkrankt sind, deren Angehörige und alle, die sich präventiv informieren möchten. Die Themen sind vielfältig. Manchmal ist eine Lebensumstellung geplant, oft sind einzelne Bausteine im Visier: Ernährung, Sport, mentale Beeinflussung, Visualisierung, Yoga bei Krebs und in Entscheidungssituationen.

Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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