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© Eva Tjaden-Neetz

Statt Perfektionismus und Erschöpfung ...lieber Selbstfürsorge und Gelassenheit

Eva Tjaden-Neetz in momentum 4/2017

Als Eva Tjaden-Neetz im Alter von 36 Jahren an Krebs erkrankt, steht sie mitten im Leben. Sie ist Mutter vier kleiner Kinder – das jüngste noch kein Jahr alt. Plötzlich ist sie mit ihrer Endlichkeit konfrontiert. Viele Fragen tauchen auf: Warum ist das geschehen? Was könnte ich „falsch” gemacht haben, dass das passieren konnte? Werde ich für etwas bestraft? Was soll ich lernen? Aber auch: Was trägt mich eigentlich? Bin ich allein auf der Welt? Wie kann ich aus meinem Dasein als Opfer in einen eigenen Weg der Heilung finden? Wie kann ich durch meine Gedanken und Gefühle meinen Heilungsweg positiv beeinflussen? Wie und wo finde ich Führung?

Meine Lebensgeschichte vor der Erkrankung

Als drittes von vier Kindern aufgewachsen in behüteter Kindheit war es mein Berufsziel, Ärztin zu werden. Zum Ende der Schulzeit war ich jedoch so sehr mit der Musik verbunden, dass ich auch Musik studieren wollte. So studierte ich in Hamburg Musik und parallel in Lübeck Medizin, mit hohem Arbeitsaufwand. Mit 24 Jahren konnte ich kurz nach Beendigung meines Musikstudiums das erste Staatsexamen in Medizin (Halbzeit) ablegen. Zwei Monate später gebar ich das erste unserer vier Kinder.

Nach zehn Jahren anspruchsvoller Familienphase mit inzwischen vier Kindern und Ehemann – mein jüngster Sohn war acht Monate alt – ließ ich mir eine Hautstelle entfernen, die mich beunruhigte, obwohl zwei Hautärzte sie als harmlos einstuften. Leider bestätigte sich meine Ahnung. Es war ein malignes Melanom. Diese Diagnose im Jahr 2002 riss mir den Boden unter den Füßen weg: Sie hatte in diesem Moment die Bedeutung eines Todesurteils für mich.

 "Tanzen nahm mir zumindest für Momente die Sorgen und Ängste"

Mit Ausbruch der Erkrankung habe ich mich verstärkt darum gekümmert, meinen Lebens- und Heilungsweg bewusster weiterzugehen. Ich absolvierte verschiedene Ausbildungen in den Bereichen Heilung, Meditation und Energiearbeit, lernte Massagetechniken und legte die Prüfung zur Heilpraktikerin erfolgreich ab. Mit 39 trennte ich mich von meinem Mann.

Ich hatte festgestellt, dass Tanzen für mich eine besonders gute Möglichkeit ist, Momente lang ohne Sorgen mit mir zu sein. Es folgte die Ausbildung zur Leicht&Lebendig-Leiterin (einer Methode mit Tanz und Entspannung durch wohltuende Berührung). Bald danach machte ich mich als Heilpraktikerin selbstständig und begann die Biodanza-Ausbildung (Biodanza ist eine Methode, die Raum bieten will, durch das Erleben mithilfe von Musik, Bewegung, Tanz und Begegnungen Potenziale in uns zu wecken und zu entfalten).

Wenn ich über die Ursprünge meiner Erkrankung nachdenke, empfinde ich, dass besonders die körperliche Überanstrengung durch die vier Geburten und Stillzeiten mit wenig Unterstützung zu einer chronischen Überforderung geführt hatten. Es war eine Überlastungssituation im ganzen Familiensystem.

Mein Umgang mit Krebs

In einem Meditationskurs lernte ich eine Frau kennen, die als Heilerin arbeitete und die mir anbot, mich zu behandeln. Bei der ersten energetischen Behandlung erlebte ich etwas Wunderbares: Ich sah Licht am Ende des dunklen Tunnels.

Zur gleichen Zeit fiel mir ein Buch über geistiges Heilen in die Hände: „Geistiges Heilen, was ist das?” von Alan Young. Als ich es las, war das wie eine Wiederentdeckung! Die Inhalte gaben wieder, was ich schon immer unter Heilen verstanden und gehofft hatte, im Medizinstudium zu lernen. Dort hatte ich es aber nicht gefunden: Der Mensch ist ein Wesen aus Körper und Geist. Die Heilung einer Krankheit ist ein Anstoßen sowie Unterstützen der Selbstheilungskräfte. Dieser Vorgang sollte immer den Geist einbeziehen.

Eine andere sehr wertvolle Anregung erfolgte in einer Fortbildung „Mit allen Sinnen Heilen”. Es beinhaltete verschiedenste Therapien: Musiktherapie, Tanztherapie, Bibliotherapie, Kunsttherapie … Dort war mein Gefühl ganz stark und klar, dass dieses die Art war, wie ich eigentlich heilen wollte: auch mit Musik und Tanztherapie!

"Mir wurde bewusst, dass ich auf einer geistigen Ebene immer heil und gesund bin"

Ich entdeckte für mich eine sehr wichtige Tatsache. Es gab ein klares inneres Wissen, dass es in mir zwei Ebenen gab, die eine kranke körperliche Ebene und die andere, die heil und gesund war, die geistige Ebene. Ich konnte mich gleichzeitig auf der körperlichen Ebene krank fühlen und auf der anderen Ebene, ich nannte sie „bei Gott”, vollkommen heil und gesund. So habe ich mich von morgens bis abends immer wieder mit diesem Gedanken verbunden „Bei Gott bin ich vollkommen heil und gesund!” Ich glaube, das war ein ganz wesentliches Gefühl, das meine Heilung ermöglicht hat.

Eine andere Unterstützung erfuhr ich durch fachliche Beratung einer Psychoonkologin, die mir geholfen hat, mit der Diagnose und der Angst umzugehen. Sie hat meinen Fokus auf den aktuellen Augenblick und die darin enthaltenen Ressourcen gelenkt. Eine besondere Ermutigung lag in ihrer Aufforderung, dranzubleiben an meinen eigenen Wünschen, trotz der hohen Belastung und der vier Kinder; meinen Weg zu verfolgen und zu lernen, meinen Interessen Raum und Zeit zu geben.

"Ich übe mich darin, meine Gedanken und Gefühle in eine gute Richtung zu lenken"

Im Rahmen der Tanztherapie (nach Anna Halprin) bei der Hamburger Krebsgesellschaft erlebte ich einen ganz anderen Schwerpunkt: Die Verbindung mit meiner Lebensfreude! Das war so stark und besonders, dass ich es bis heute für einen ganz außerordentlich wichtigen Punkt auf dem Weg der Heilung halte; den Zugang zu meiner Lebensfreude. Ich lernte dort, sensibler zu werden für meine Empfindungen, Gefühle und Bedürfnisse. Allen Teilnehmern gemeinsam war in ihrer Biografie eine Art von „über die eigenen Bedürfnisse hinweggehen, sie nicht wahrnehmen”, weil andere Menschen oder andere Themen für wichtiger gehalten wurden. Eigene Bedürfnisse zu erkennen, konnten und mussten wir alle lernen.

Auswirkungen der Erkrankung auf meinen Lebensstil

Gesunde Ernährung war schon vor der Erkrankung selbstverständlich. Nun verstärkte ich diese Haltung. Ich vermied die Mikrowelle und elektromagnetische Strahlung. Besonders achtete ich darauf, mich mehr um meine eigene Entspannung zu kümmern. Ich wusste und weiß bis heute: Ich muss gut auf mich achten, um gesund zu bleiben. Ich merke es auch sofort an Schwächen in meinem Immunsystem, wenn ich das vergesse. Das heißt vor allem, genau zu fühlen, wann etwas zu viel für mich wird. Es bedeutet auch, Pausen zu machen, wann immer ich es für nötig erachte, also eine gute Balance zwischen Anstrengung und Entspannung zu finden.

Erkenntnisse für mein Leben

Um meine Lebenskräfte zu erhalten, muss ich gut für mich sorgen, gut nach mir sehen, mich wahrnehmen und im Kontakt mit mir sein. Das ist für mich auch deswegen wichtig, weil gerade das maligne Melanom dafür bekannt ist, dass es auch nach vielen Jahren und Jahrzehnten noch zu Metastasen führen kann. Also wird es bis an mein Lebensende eine wichtige Aufgabe sein, gut mit mir umzugehen, Überforderung zu vermeiden. Das scheint zwar eigentlich selbstverständlich, ist es aber für mich nicht gewesen und für viele andere Menschen, die ich kenne, auch nicht.

Mit der Erkrankung habe ich gelernt, jeden Augenblick zu genießen. Denn wenn ich in der Angst und Möglichkeit gefangen bin, dass ich möglicherweise nur noch wenige Monate/Jahre zu leben habe und Kinder im Alter von wenigen Monaten bis zehn Jahren habe, will ich jeden Moment mit ihnen auskosten und ihnen jetzt geben, was ich nur kann, damit sie leben können! Das führt zu großem Genuss in vielen kleinen alltäglichen Gegebenheiten, wenn in mir z.B. solche Fragen auftauchten: „Wird das vielleicht das letzte Mal sein, dass wir zusammen rodeln gehen können? Werde ich noch einmal eine Schulaufführung besuchen können? Werde ich noch einmal solch einen Sommer erleben, solch eine schöne Blüte sehen, das Lachen und die Freude der Kinder so genießen können?”

Auch habe ich erkannt, dass es keinen Sinn macht, Wünsche und Träume immer in die Zukunft zu vertagen, alles Geld der Welt zu sparen, um mir dann später mal dieses oder jenes zu erlauben. Nein, lieber jetzt ein schönes Kleid anziehen, einen schönen Urlaub, ein schönes Wochenende verbringen, eine Ausbildung beginnen …

Tatsächlich hatte ich eine gute Intuition für mich und meine Gesundheit, als ich den Fleck entdeckte. Aus dieser Erfahrung habe ich Vertrauen gewonnen, meinem Bauchgefühl, meiner inneren Stimme zuzuhören und zu vertrauen!

Eine besondere Erkenntnis ist, dass mein emotionales Gleichgewicht und auch alles, was ich denke, also meine Ausrichtung in den Gedanken, Einfluss auf meine Gesundheit und damit auf mein Leben hat. Ich trage die Verantwortung dafür, dass ich meine Gedanken und meine Gefühle in eine gute Richtung lenke.

Was hat mir also besonders geholfen?

Am Ende gibt es viel, was mir besonders geholfen hat. Zuallererst hat mir sicherlich ganz handfest die Energie und Kraft der Heilerin geholfen, überhaupt einen Lichtstreif am Horizont zu sehen, wieder Kraft und Hoffnung zu fühlen. Die Verbindung zur geistigen Ebene mit dem Satz „auf einer geistigen Ebene bin ich vollkommen heil und gesund” hat mit Sicherheit bei mir einen großen Anteil am Heilwerden gehabt. Später bei Biodanza erkannte ich die Parallele im Tanz: die „Verbindung mit dem Leben”, den Zugang zu einer völlig gesunden, ordnenden, harmonischen, kraftvollen Quelle des Lebens zu spüren, die in mein physisches Leben hineinwirkt. Außerordentlich wichtig für mich war meine Motivation zu leben, vor allem für meine Kinder. Ich wollte auf jeden Fall weiterleben, um für meine Kinder sorgen zu können und sie auf keinen Fall allein zu lassen. Das war zum Zeitpunkt meiner Erkrankung ein naheliegendes Thema, da mein Jüngster erst neun Monate alt war.

Mit der Zeit ist mein ganz eigener Lebensweg als Motivation dazugekommen. Ich wollte und will weiterleben, um meinen Platz zur Unterstützung der Menschheit zu finden, meine Lebensaufgabe, auch nach meinem Muttersein, zu erfüllen. Indem ich mir bewusster wurde, was „heil werden” bedeutet und ich dieses „Heilwerden” anderen ermöglichen wollte, führte es mich immer näher zu meinem Sinn, meiner Identität.

Weitere Informationen

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Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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