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© Anja Forbriger

Ich spreche mit der Angst - Du kriegst mich nicht unter

Anja Forbriger in Impulse 3/2001

Zunächst ist es nur eine lästige Beule am Hals, die Anja Forbinger bewegt den Arzt aufzusuchen: Der 27-jährigen Studentin wird mitgeteilt, dass sie an Krebs erkrankt ist - Morbus Hodgkin. Das war 1994. Für sie beginnt ein Leidensweg, der dem vieler Krebspatienten gleicht: Der Schock bei der Diagnose, massive Chemo- und Strahlentherapie, das eigene Unwissen über medizinische Zusammenhänge und damit das Gefühl des Ausgeliefertseins.

Sieben Jahre später beschreibt sie ihre Erfahrungen und Bemühungen in dem Buch: „Leben ist, wenn man trotzdem lacht″. Wir drucken hier einige Passagen ab.

Das Leben danach

Das ganze erste Jahr nach der Therapie war ein Leben in Zeitlupe. Ich ging ganz langsam, ich schaute ganz langsam, ich dachte ganz langsam, ich aß ganz langsam, ich schlief ganz lange. Körperlich aussehend wie ein Kind vor der Pubertät, fühlte ich mich wie eine uralte Frau. Nichts war mehr so, wie vorher. Woran sollte ich mich orientieren. Ich las Bücher, surfte lange im Internet, dem ich schon während der Behandlung wertvolle Ratschläge entnommen habe. „Was kann ich essen?″ hatte ich den Onkologen gefragt. Er zuckte die Schulter. Es war nicht sein Fachgebiet. Eine andere Ärztin, die sich der chinesischen Medizin verschrieben hat, nahm meine Hand. Sie war eiskalt. „Was essen Sie ?″, fragte sie mich. „Nur Gesundes, viel Salat und Obst, morgens Brot″. „Genau″, meinte meine Ärztin „das merkt man. Sie sollten nur Warmes essen. Vergessen Sie Salat, der raubt ihnen nur Energie. Bestimmt frieren Sie auch ständig″. Auf Empfehlung der Ärztin probierte ich Porridge, in Wasser gekochte Haferflocken mit einer Prise Salz, dazu einen Schuss Milch und Apfelmus. Es sah genau so aus, wie es schmeckte. Doch bald war das Frühstück kein Thema mehr, ich aß Hafer und trank Tee. Und es half. Ich musste zunehmen. Essen ohne Geschmack ist nicht sehr spannend (durch die Behandlung war das Geschmacksempfinden verloren gegangen). Als der Geschmack nach einigen Monaten wiederkam, stellte ich fest, dass vieles nicht mehr so lecker war wie in meiner Erinnerung. Bananen waren bitter, Schokolade ekelhaft, alles was süß war, schmeckte nach dem ersten köstlichen Biss nur penetrant. Früchte brannten, Milch schleimte.

Nicht mehr ärgern

Ich lernte, mich nicht mehr über scheinbare Probleme zu ärgern. Ich packte mir eins der Probleme und betrachtete es genau: Bezogen auf ein ganzes Leben, was bedeutest du denn? Und in der Regel bleibt dann nicht mehr als ein Schulterzucken. Ich kann bestimmen, ob mich etwas verärgert, ich kann steuern wohin ich gehen. Ich bin verantwortlich für meine Entscheidungen, und ich kann loslassen. Und dann merke ich: Das Leben ist schön….

Nachts kam die Angst

Tagsüber hatte ich meine Angst im Griff. Nachts, wenn alles schlief, übernahm sie das Kommando. „Wach auf″ raunte sie. Und als ich nicht hörte pochte das Herz. Ich wälzte mich, bis ich erwachte. Ich muss sterben, o Gott, ich hatte Krebs durchfuhr es mich. Ein furchtbarer Traum. Meistens stand ich dann auf. Du kriegst mich nicht, Angst. „Komm mit″, sagte ich zu ihr „wir gehen jetzt Tee trinken″. Ich weiß nicht, wie viele Tassen Tee ich nachts schon getrunken habe. Kräutertees, Yogitees, Beruhigungstees, Atemtees. Die Angst wollte wahrgenommen werden. „Okay″, lass uns etwas unternehmen″. Die Angst und ich gingen zu meinem Schreibtisch, holten eine Notizbuch und hockten uns in die Küche, um unsere Empfindungen aufzuschreiben. Eine Freundinn bestätigte mir meine Gefühle. Sie trug immer einen schönen Stein bei sich und wenn dann die Angst hervorkroch, nahm sie den Stein und begann ein Gespräch: „Gut, dass du da bist, ich habe schon auf dich gewartet″. Die Geschichte half mir. Für eine Weile hatte ich meine Angst immer in Form einer schönen colafarbenen Murmel im Gepäck. Angst ist nur dann schlimm, wenn man nichts mit ihr anzufangen weiß. Paralysierte Angst, die in einem hockt, tut richtig weh. Durch die Gespräche mit ihr konnte ich sie hervorlocken. Ich schrieb, ich malte und ich las sie aus mir heraus. Und ich weinte. In diesem Meer aus Angst half es mir immer, etwas Konkretes zu tun. Bei praktischen Tätigkeiten kann die Angst nicht mitreden…

Krebs ist nur Mist

Gerne würde ich behaupten: „Damals hatte ich mal etwas Krebs″. Natürlich war alles ganz anders. Vor allem war Krebs für mich kein Wendepunkt. Es gab keine Läuterung und kein Empfinden von Krebs als Botschaft. Für mich war Krebs einfach Mist. Krebs hatte keine Bedeutung, er machte absolut keinen Sinn, es lohnte sich nicht, darüber nachzudenken. Was will ich tun in meinem Leben, das ist die Frage aller Fragen, die ich stellte, aber eigentlich brauchte ich dazu keinen Krebs. Ich wurde durch Krebs aber kein besserer Mensch. Wenn man Glück hat, lernt man sich besser kennen - auch seinen Körper…

Eine Körpertherapie

Erst später, durch einen Shiatsu-Kurs, lernte ich meinen Körper besser kennen. Der Akupunktur ähnlich, werden bestimmte Punkte auf den so genannten Meridianen stimuliert. Die Meridiane sind Energieleitbahnen. Gibt es ein Ungleichgewicht, entsteht Unwohlsein und langfristig Krankheit. Der Körperkontakt zwischen Therapeut und Patient ist länger als bei der Akupunktur, der Druck wird nämlich mit dem Daumen, durch die Hände und sogar den ganzen Körper ausgelöst. Shiatsu hat meine Beziehung zum Leben gravierend verändert. Shiatsu ist eine ganzheitliche Behandlung, deshalb verstehe ich jetzt viele Körperreaktionen und weiß mir zu helfen…

Weitere Informationen

  • Anja Forbiger, Leben ist wenn man trotzdem lacht, Wilhelm Heyne Verlag ISBN 3-453-19067-x
Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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