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„Sie haben da einen bösartigen Tumor an der Niere. Das muss alles raus″. Zufällig entdeckt. Ohne den Schmerz niemals gefunden. Nun fällst Du. Fällst und fällst und fällst und fällst. Ins Bodenlose. Wenn du Glück hast, laufen Tränen. Wenn du Glück hast, sitzt nachts zwischen eins und vier jemand an deinem Bett und hört dir zu. Nachts, zwischen eins und vier, wenn die Silbernacht mondhell ins Zimmer scheint, wenn die Einsamkeit den Flur der Station entlang schleicht. Alles fällt von dir ab wie eine alte Haut: der Beruf, die Karriere, Familie, Freunde und Bekannte. Zuletzt gibt’s nur noch dich und den Krebs.
Der Tod klopft. Vielleicht geht er wieder. Er wird wiederkommen. Du weißt es sicher. „Er birgt mich in seinem Zelt am Tage des Unheils″ (Psalm 27). Las mir mein Bruder am Telefon. Das war der Anker. Die Operation ging glatt, schnell kam ich wieder auf die Füße. Gute Schmerzbehandlung. Keine Metastasen. Rehabilitation.
Mitten auf dem sommerlichen Radweg springt dich die Angst an: morgen kann es vorbei sein. „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden″ lese ich in Psalm 90 abends auf dem Zimmer. „Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz″ (Psalm 90). Das ist wahr. Der Krebs hilft dir, Unwichtiges im Leben zu lassen. Der Krebs hilft dir, etwas Neues zu tun oder zu entdecken. Manchmal ist es etwas, das du über viele Jahre nicht mehr getan hast, das dir aber wichtig ist. Vielleicht fängst du (wieder) an zu malen. Vielleicht fängst du (wieder) an, Musik zu hören. Vielleicht fängst du (wieder) an zu fotografieren. Vielleicht fängst du (wieder) an, mit deiner Frau und den Kindern wirklich zu sprechen. Vielleicht. Es ist eine Chance. Natürlich liest du alles, was du über den Krebs erfahren kannst. Der Computer geht nachts kaum aus vor lauter Recherche. Irgendwann, überraschend schnell, findest du die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr. Gut. Denn den normalen Medizinmännern mit ihrem „Messer und Chemo″ traust du nicht so recht, seit du weißt, dass es einen Zusammenhang von Seele und Körper gibt. Es ist nicht zufällig, welche Krankheit du hast. Da ist dir was an die Nieren gegangen, oder auf den Magen geschlagen, oder schnürt dir die Kehle zu, oder treibt dir die Galle hoch. Die Krankheit kann komplizierte Gründe haben: Es gibt Menschen, die tragen die Krankheiten ihrer Vorfahren in sich aus, sagt Bert Hellinger, der Therapeut. Es lohnt sich, Kassetten von ihm zu hören.
Überhaupt Bücher und Musik. Ich habe sehr viel gelesen seither. Vor allem die Psalme, die alten 2000 Jahre alten heilenden Texte jeden Morgen. Man muss diese Worte nicht verstehen mit dem Kopf, es genügt, wenn man sie liest oder spricht. Es ist wie Medizin nehmen. Diese Worte haben sehr viel heilende Kraft in sich, man merkt es im Laufe der Zeit. Worte können heilen. Dann eine ganze Woche im Kloster bei den schweigenden Mönchen in der Eifel. Es war ein alter Wunsch. Es war eine sehr wichtige Zeit, weil man sich nicht nur um den Körper kümmern darf, sondern sich um die Seele kümmern muss. „Kloster auf Zeit″ kann man an sehr vielen Orten in Deutschland haben. Im Internet sind entsprechende Klöster zu finden. Wichtig ist: Erfülle dir alte vergrabene Wünsche. Mache jetzt endlich das, was du schon immer machen wolltest.
Bei mir war´s ein kleines Buch. „Haschen nach Wind″ als Ausdruck für unser uneigentliches Leben, das uns krank macht. Bei vielem, was wir für wichtig halten, für das wir kämpfen und Nerven lassen, erweist sich im Krebsbett: Es war nur Haschen nach Wind.
Ordne die praktischen Dinge: Schreib dein Testament, schreib´ die Patientenvollmacht, damit du nicht an den Schläuchen verrecken musst eines Tages, sondern menschlich sterben kannst. Das wird eine schwere Zeit mit viel Tränen, weil du Abschied nimmst. Aber es ist eine wichtige Zeit. Danach kannst du weiterreisen mit leichtem Gepäck.
Du kannst dich den wichtigen Dingen zuwenden. Kümmere dich um deine Spiritualität! Bei mir war es die Entdeckung des ZEN-Buddhismus. Ich habe viel gelesen von Thich Nath Hanh. Es gibt dieses Wissen überall auf der Welt: Leben geht nicht zu Ende, es wandelt nur seine Form. Ich hab’s in allen Religionen bestätigt gefunden, im Tibetischen Totenbuch ebenso wie in unserer eigenen Tradition. „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden″ (Psalm 90) mehr ist nicht zu sagen. „Meine Zeit steht in deinen Händen″. Ich weiß nicht, wann DU mich nach Hause holst. Solange mache ich hier meine Arbeit.
Ulrich Kasparick, von 1998 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, https://www.facebook.com/ulrich.kasparick
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