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Vitamine in der Kritik

08. Juli 2016

In einem Laborversuch an Mäusen untersuchten Forscher der Universität Göteborg den Einfluss der von Antioxidantien auf das maligne Melanom. Die am malignen Melanom erkrankten Mäuse erhielten als Antioxidans N-Acetylcystein (NAC) und Trolox, ein wasserlösliches Vitamin-E-Derivat (Le Gal K et al. / Science Translational Medicine 2015).
Dabei zeigte sich, dass die Mäuse, die N-Acetylcystein bzw. Trolox erhalten hatten, doppelt so viele Metastasen aufwiesen wie die Kontrolltiere. Darüber hinaus war bei den betroffenen Tieren sowohl die Zahl der befallenen Lymphknoten, als auch die Menge der Tumorzellen in den Metastasen deutlich erhöht. Die Primärtumoren waren jedoch unverändert. Die Forscher mutmaßen, dass die Antioxidantien den wandernden Tumorzellen helfen könnten, sich auszubreiten.

GfBK-Kommentar: Immer wieder finden sich in der Presse Meldungen, in denen vor der Einnahme von Vitaminen gewarnt wird. Die Empfehlung der Autoren dieser Studie, dass Krebspatienten antioxidative Nahrungsergänzungen besser ganz meiden sollten, schürt jedoch nur Angst und hilft dem Einzelnen nicht weiter, zumal die Thematik viel komplexer ist, als in einem einzelnen Tierversuch dargestellt werden kann.
Die Ergebnisse der schwedischen Forscher zeigen eigentlich nur, dass im Tierversuch die synthetischen Vitaminderivate NAC und Trolox die Metastasierung von Tumoren der Haut fördern können. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass ein Mangel an Vitamin C, aufgrund der unzureichenden Kollagenbildung, ebenfalls die Metastasierung fördern kann (Cha J et al. / Exp Oncol 2011 und Cha J et al. / Int J Oncol, 2013). Außerdem konnten Wissenschaftler der Universität Tübingen nachweisen, dass hochdosiertes Vitamin C die DNA beim Melanom auf epigenetischer Ebene beeinflusst und die Apoptose in Hautumorzellen auslösen kann (Venturelli S et al. / Frontiers in Oncology 2014). Im Jahr 2014 erhielten die Tübinger Wissenschaftler für ihre Forschungen, wie die tumor-toxischen Effekte von Vitamin C bei Hautkrebs therapeutisch nutzbar gemacht werden können, den Dr. Wolfgang Hevert-Preis.
Für die GfBK ist entscheidend, dass die Ergebnisse aus Studien am Menschen zeigen, dass durch die Einnahme von Multivitaminpräparaten die Wirksamkeit von schulmedizinischen Therapien nicht beeinträchtigt wird (zum Beispiel Prasad KN et al. / J Am Coll Nutr 2001, Gröber U/Breastcare 2009, Kwan ML et al. / Breast Cancer Res Treat 2011 und Wassertheil-Smoller S et al. / Breast Cancer Res Treat 2013). Auch andere Forscher stehen dem Einsatz von Antioxidantien adjuvant zur schulmedizinischen Therapie positiv gegenüber. Beispielsweise begutachteten Simone und Kollegen 50 klinische Studien mit insgesamt 8521 Patienten und zeigten einen klaren Vorteil (Reduktion von Nebenwirkungen) für rezeptfreie Antioxidantien zeitgleich zur Chemotherapie. In 15 Studien mit insgesamt 3738 Patienten wurde bei Einnahme rezeptfreier Antioxidantien eine erhöhte Überlebenszeit beobachtet (Simone CB et al., Antioxidants and other nutrients do not interfere with chemotherapy or radiation therapy and can increase kill and increase survival, part 1. Altern Ther Health Med, 2007; 13(1): 22-8).
Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass der überwiegende Anteil der heute üblichen Chemotherapeutika seine Wirkung nicht primär über oxidativen Stress erzielt (Mutschler E/Arzneimittelwirkungen 2008, S. 907 ff.) und dass der Stoffwechsel der Tumorzelle mitentscheidet, wie ein Vitamin wirkt (Sagar SM/Focus on Alternative and Complementary Therapies 2004). Letzteres würde auch erklären, warum man beobachten kann, dass hoch dosiertes Vitamin C Krebszellen unschädlich macht, während gesunde Zellen unbehelligt bleiben (Chen Q/PNAS 2005).
Außerdem sind einige Dinge bei der Verabreichung von Antioxidantien bzw. Vitaminen zu beachten: So kann man aus anderen Studien, wie zum Beispiel der SELECT-Studie, ableiten, dass es einen Unterschied macht, ob ein Mensch einen Mangel an antioxidativen Substanzen, wie zum Beispiel Selen, aufweist oder nicht. In diesem Zusammenhang halten wir es unbedingt für empfehlenswert, Vitamingaben bedarfsorientiert anzuwenden und in der Langzeittherapie, Selen zum Beispiel unter Kontrolle des Selenblutspiegels zuzuführen, um einen optimale Versorgung zu erreichen. Dies gilt übrigens auch für Vitamin D, Zink und evt. auch Vitamin B12.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an diesem Experiment sind neben der fraglichen Übertragbarkeit auf den Menschen vor allem die verwendeten Antioxidantien, nämlich künstliche Antioxidantien in Form von NAC und Trolox, die bei den Patienten so gar nicht eingesetzt werden. So ist NAC als schleimlösendes Mittel bekannt, das bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt wird.
Hinzu kommt die unzulässige Verallgemeinerung, alle Vitamine und Mikronährstoffe in einen Topf zu werfen und als „Antioxidantien“ abzustempeln, ungeachtet der Tatsache, dass weder NAC noch Trolox physiologische Vitamine sind.
Inzwischen hat eine nicht mehr überschaubare Zahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen gezeigt, dass die Mehrzahl dieser Substanzen zwar auch antioxidative Eigenschaften aufweist. Viel wesentlicher sind jedoch weitere, hochspezifische Wirkungen, unter anderem auf die epigenetische Regulation des Zellstoffwechsels. Alleine für Vitamin D wurde inzwischen ein Einfluss auf rund 1000 Gene bekannt.
Der Sinn und Zweck einer Vitamin/Mikronährstofftherapie liegt also nicht darin, dem Körper pauschal ein paar Antioxidantien nach dem Motto „Viel hilft viel“ zuzuführen, sondern in dem gezielten Ersatz defizitärer Faktoren des Zellstoffwechsels, um die evolutionär entwickelten Fähigkeiten unseres Körpers zu Regeneration und Heilung auch umsetzen zu können.


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©iStock, 1210358928, nortonrsx
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