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© Annette Rexrodt von Fircks

Gemeinsam gesund werden

Annette Rexrodt von Fircks in Signal 1/2010

 Annette Rexrodt von Fircks erhielt 1998 die Diagnose Brustkrebs. Sie war damals 35, stand mitten im Leben und hatte viele Pläne. Ihre Kinder waren drei, fünf und sieben Jahre alt. Aus schmerzhafter Erfahrung kennt sie die Herausforderung, in der eigenen existenziellen Krise das Wohl der Kleinen im Auge zu behalten. Mit ihrer Stiftung hilft sie Familien, die Ähnliches durchleben müssen.

Interview mit Annette Rexrodt von Fircks

Ihre autobiografischen Veröffentlichungen haben vielen Menschen wertvolle Impulse zur Überwindung schwerer Erkrankungen gegeben. Wie geht es Ihnen heute?

Jeden Morgen empfinde ich es als eine Gnade, aufwachen und den Tag begrüßen zu dürfen. Und jeden Morgen mache ich einen inneren Freudentanz, denn ich liebe das Leben. Mir geht es gut.

Welche Erfahrungen haben Sie dazu bewegt, sich dem Schicksal von Kindern zu widmen, deren Eltern an Krebs erkrankt sind?

Eine der schwierigsten und schmerzhaftesten Aufgaben, die ich bei meiner Erkrankung zu bewältigen hatte, war, den goldenen Mittelweg zu finden: meinen Kindern nichts zu verheimlichen, ohne sie ihrer Kindheit zu berauben. Ich sprach mit unseren Kindern über meine Erkrankung, noch bevor diese durch meinen kahlen Kopf ganz offensichtlich wurde. Ich hielt es für besser, morgens mit ihnen zu reden als nachmittags oder abends und wählte einen Samstag dafür aus. Ich hatte Hoffnung, wieder gesund werden zu können. Familie und Freunde standen uns zur Seite. Körperlich und psychisch ging es mir recht gut.

Krebskranke Eltern stehen den Fragen ihrer Kinder oft hilflos gegenüber. Wie haben Sie die Balance zwischen Authentizität und Diplomatie gefunden?
Auf alle möglichen Reaktionen war ich gefasst, vom herzzerreißenden Weinen bis zu zahllosen Fragen, als ich die Kinder einweihte. „Ist Krebs ein Tier, und ist das böse?", fragte meine Tochter als erstes. „Wieso bekommst du Medikamente, wenn der Arzt dir den Knoten herausgeschnitten hat?", wollte mein jüngster Sohn wissen. Der Siebenjährige fragte, ob ich an Krebs sterben und er selbst auch die Krankheit bekommen könnte. Dann fragten sie, ob es wehgetan hat, als man mir die Brüste wegoperierte, ob ich daran wieder erkranken kann und ob Chemo weh tut. Ich bemühte mich, auf alle Fragen altersgerechte klare und ehrliche Antworten zu geben, ohne zu viel zu reden oder zu hinterfragen. Keines der Kinder hatte geweint. Sie wirkten weder geschockt noch traurig. Ganz im Gegenteil, sie wollten schnell zurück zur Tagesordnung: Draußen spielen, denn es war herrliches Wetter und ein schulfreier Tag!

Welche Situationen waren den Kindern besonders schwer zu erklären, und wie sind Sie damit umgegangen?

Mein kleiner Sebastian kam plötzlich zu mir, drückte sich an mich und sagte, dass er lieber an meiner Stelle sterben möchte. Charlotte rollte sich auf meinem Schoß ein und flüsterte mir zu, dass ich immer bei ihr bleiben müsse. Der „große" Lionel stellte mir mit angsterfüllten Augen die Frage, ob ich wegen des Verdachtes auf Metastasen operiert würde. Diese Momente waren besonders belastend und traurig für mich. Fast immer war ich dann gefühlsmäßig so überwältigt, dass ich am liebsten geweint hätte, was ich auch manchmal gemeinsam mit meinen Kindern tat. Ich versuchte, ehrlich zu antworten und sagte z. B. Sebastian, dass ich seine Gefühle verstehen kann, dass ich aber auch „uralt" werden könnte wie seine Uroma Gertrude. Charlotte erklärte ich, dass ich als Kind meiner Mutter immer erzählt hatte, dass ich nie heiraten und immer bei ihr bleiben wollte. Und Lionel antworte ich, dass mich die Ärzte wegen des Verdachts auf Metastasen operieren, dass aber auch Metastasen behandelbar seien. Häufig hatte ich mich in diesen Situationen überfordert und allein gefühlt.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie zu Ihren Büchern?

Durch meine Bücher erreiche ich viele Menschen. Fast täglich bekomme ich Briefe, Mails und Anrufe von meinen Lesern und den Menschen, die ich auf meinen Lesereisen kennengelernt habe. Auch Kinder schreiben mir und rufen mich an. Als besonders schlimm empfinde ich immer wieder die unendliche Not der Kinder betroffener Eltern. Ein zwölfjähriges Mädchen schrieb mir: „Ich weine jeden Abend. Aber immer heimlich. Ich muss doch stark sein für meine Mutter. Sie ist so krank."

Sie haben eine Stiftung für krebskranke Mütter und ihre Kinder ins Leben gerufen. Welche Ziele verfolgt sie?

Die Rexrodt von Fircks Stiftung entwickelt und fördert Projekte, um die Mutter in ihrer Mutterrolle zu stärken und dem Kind zu helfen, damit es eigene Bewältigungsstrategien entwickeln kann. Innovative Behandlungskonzepte sollen der ganzen Familie zugutekommen.

Welche konkreten Projekte unterstützt die Rexrodt von Fircks Stiftung?

Unser erstes Projekt „gemeinsam gesund werden" läuft seit drei Jahren sehr erfolgreich in der Klinik Ostseedeich in Grömitz. Hier können an Brustkrebs erkrankte Mütter mit ihren Kindern im Anschluss an die Ersttherapie zur Rehabilitation gehen. Das Besondere an diesem Projekt: Die Kinder sind keine Begleitkinder, sondern ebenso Patienten. Sie werden von Psychologen betreut. Das einzigartige Behandlungsprogramm ist so konzipiert, dass es Therapiebausteine sowohl für die kranke Mutter als auch für ihre Kinder und ihren Partner enthält. Die Stiftung wird in dem Projekt von den gesetzlichen Kassen und den privaten Kostenträgern unterstützt. Alle drei Wochen können 30 Mütter mit ihren Kindern die dreiwöchige Reha-Maßnahme in Anspruch nehmen.

Im September 2009 ist Ihr neues Buch erschienen. Wovon handelt es?

In „Dem Krebs davonleben: Wir haben die Chance" erzähle ich über die Zeit nach der Krebstherapie. Ich hatte zunächst große Angst vor einem Rückfall und wusste nicht, wie ich leben sollte. Lange war ich auf der Suche nach dem roten Faden. Dabei wurde das Leben selbst mein größter Lehrmeister. Ich will Impulse setzen, Wissen vermitteln und Menschen nach der Behandlung motivieren, das Leben selbst und nicht den Krebs zum Dreh- und Angelpunkt zu machen.

Danke, dass Sie uns an Ihren bewegenden Erfahrungen teilhabenlassen. Wir wünschen Ihnen weiterhin gutes Gelingen und hilfreiche Unterstützung für Ihre Projekte.

Mit Frau Rexrodt von Fircks im Dialog war PetRa Weiß

Information zu unseren Betroffenenberichten

Wir freuen uns, wenn Patient:innen ihren individuellen und persönlichen Genesungsweg finden. Das ist ein Ausdruck des großen Heilungspotenzials in jedem Menschen. Gerne teilen wir diese Erfahrungen mit unseren Leser:innen, auch wenn persönliche Entscheidungen nicht immer auf andere Betroffene übertragbar sind. Sie entsprechen auch nicht in jeder Hinsicht einer konkreten Empfehlung der GfBK für Patient:innen in ähnlicher Situation. Wägen Sie sorgfältig ab, welche Impulse aus den Patient:innenberichten für Sie in Ihrer aktuellen Lage passend sind. Besprechen Sie diagnostische oder therapeutische Maßnahmen im Zweifel gerne mit unserem ärztlichen Beratungsdienst.

©iStock, 1210358928, nortonrsx
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